Ich schreibe mir jedes Jahr am 31.12. selbst einen Brief an mich in einem Jahr, den ich dann lese, bevor ich mir den nächsten Silvesterbrief schreibe. Seit vielen Jahren ist das ein mir lieb gewonnener Brauch, der für mich das Wichtigste an Silvester ist.
Es ist eine Gelegenheit, mit dem alten Jahr abzuschließen. Noch einmal in Ruhe nach innen zu hören, was gut, was schlecht, was unnötig und unvermeidlich war. Was man an Erfahrungen und Hoffnungen in das neue Jahr mitnehmen möchte und was man ganz bewusst verabschiedet und im alten Jahr zurücklässt, weil die Reise weitergeht.
2015 war ein Jahr wie eine Achterbahn ohne TÜV-Zulassung und hey - 2016 ein paar PS weniger reichen mir völlig.
Irgendwie fühlt sich 2015 nicht gut an. Zuviel war in der Welt dort draußen nicht in Ordnung. Es begann mit Charlie Hepdo und endete mit den Attentaten von Paris, mit dem Absturz der Germanwings Maschine und dem Flüchtlingsdrama, das uns seit Sommer beschäftigt. Die Arbeit in der Münnchner Messe hat mein Weltbild unwiderruflich verändert und mich auch. Die Ukraine-Krise oder das Erdbeben in Nepal, die Stürme in Amerika, die Dürre in Afrika, das Hochwasser in England. Die Amokläufe in den USA. TTIP/TISA und der rechtsstaatserschütternde Umgang damit, hat mich beruflich in eine Art Sinnkrise gestürzt. Meinungsfreiheit beinhaltet auch das Recht zur Unvernunft und wenn das der Wunsch der Mehrheit ist, ist auch Unvernunft zu akzeptieren. Die immer krasser um sich greifende Seuche der militanten political correctness macht mir Angst. Die Verlogenheit, die Kälte ... Hilflosigkeit und das Gefühl, dass es keine Sicherheiten mehr gibt. Niemals. Nirgends.Doch darin liegt auch Freiheit, denn wenn nichts verlässlich ist, hindert nichts, den Augenblick zu leben. Denn Spaß, den man hatte, kann einem keiner mehr nehmen. Und man findet dann vielleicht auch die Kraft, das Richtige zu tun, weil es richtig ist, sich wenigstens so anfühlt, und nicht, weil eine Belohnung lockt, oder irgendwer, der es auch nicht besser weiß, sagt, so müsse es sein.
Planung ist die Ersetzung des Zufalls durch Irrtum.
Erstaunlich, wie sich die Sicht über ein Jahr verändert. Jedes Mal. Was vor einem Jahr ganz wichtig war, wichtig genug, um in dem spontanen Brief einen ganzen Absatz auszumachen, ist heute ganz dumm, halb vergessen gar, weil andere Sachen "vermeintlich" wichtig sind. Das lehrt Demut und Geduld. Und eine gesunde Skepsis gegenüber Vorsätzen.
Es kommt ohnehin ganz anders als man denkt.
Und das ist auch irgendwie gut, denn es hält das Leben spannend. Ich bin froh und dankbar, dass ich mir dieses kindliche Gefühl bewahrt habe, dass Abenteuer etwas Gutes sind, dass ich mich aufrichtig und aktiv freuen kann, wenn es heißt, dass es zum Abendessen meine Lieblingspasta gibt oder wenn mir Autorenkollegen eine Karte schreiben. Es gibt mir die Kraft, auch gegen alle Widerstände der Angepassten in 3D und Farbe zu träumen und bei Misserfolgen nicht anders als ein Kind, aufzustehen und mir - womöglich laut heulend - den Schmutz von den schrundigen Knien zu wischen, um weiterzumachen. Ein Versuch ist immer noch drin. Oder mit was anderem. Egal. Die Welt ist groß und bunt. Und ich freue mich nicht nur am 31.12. auf den nächsten Tag, sondern spätestens seit meiner Krebserkrankung über jeden neuen Tag und bin gespannt, was er so bringt (auch wenn ich dann gegen Abend öfter mal stinksauer bin!). Ich beginne das neue Jahr mit dem Vorsatz es so gut wie möglich zu machen. Und es liegt an jedem Einzelnen, um jeden Tag, jede Stunde zu kämpfen, damit man sie auf der Plusseite verbuchen kann. Fragt nicht "Why me", brüllt "Try me!" (auf Deutsch ist das nicht so elegant). Seid neugierig, denn das schafft Offenheit und das ist guten Dingen förderlich.
Wenn es leicht wäre, könnte es jeder.
Schwierig hat mich noch nie gestört. Manches Mal höre ich deshalb, ich sei größenwahnsinnig, doch das stimmt nicht. "Schwierig" ist ein guter Grund, sich nicht zu grämen, wenn man scheitert, aber keine Entschuldigung, es nicht zu versuchen.
Weil meine Pläne alle immer sehr ehrgeizig sind, erreiche ich sie
auch längst nicht alle. Doch das macht nichts, ich habe es dann
wenigstens versucht. Und öfter als nicht ergibt sich unterwegs etwas
genauso Schönes. Da muss man Vertrauen in Gott, das Universum oder sich selbst haben. Ich gehe in den Wald zum
Pilzesammeln und freue mich, wenn ich statt der erhofften Steinpilzsuppe
späte Herbstkräuter und wunderbare Beeren mit nach Hause nehme. Oder
wenn ich bei der Diät zwar nicht abnehme, aber ein paar gute neue
Rezepte kennenlerne. Manches Mal höre ich deshalb, ich habe andere ausgenutzt, weil ich meine Ziele geheim gehalten hätte. Das stimmt nicht. Wir haben das Ziel nicht erreicht und ich nehme dann eben statt der Pilze die Beeren, die ich freilich gerne mit allen teile, die mitgekommen sind. Ich will und wollte nie etwas für mich allein. Das ist mir - gelegentlich sehr zu meinem Nachteil - nicht gegeben.Gleichgültigkeit ist die einfachste Form der Toleranz.
Dieses Jahr habe ich gelernt, dass viele Menschen, die nicht an mich glauben, eigentlich nicht an sich glauben, die meine Lösungen verteufeln, weil sie selbst keine haben und die zwar erwarten, dass ich ihre Meinung zu akzeptieren hätte, aber mir meine nicht zugestehen. Oder auch mit der Gleichwertigkeit verschiedener Meinungen nicht umgehen können. Ich habe nur mich so wie ich bin zu bieten, alles andere wäre verbogen und deshalb nicht belastbar. Wer mich so nicht mag, dem kann ich nicht helfen, auch weil es ihm nicht helfen würde. Was nicht heißen soll, dass ich mich nicht ändern will. Natürlich will ich. Die Welt ändert sich ja auch und das ist ja das Spannende. Aber nicht auf Kommando. Und das verlange ich - fest versprochen - auch von keinem anderen.Obwohl ich natürlich meine Pläne nicht erreicht habe wie ich es mir gedacht habe, war das Jahr fordernd aber im Privaten mit Abzügen in der B-Note gut.
Ich schließe es mit Erfolg im Beruf und als Autor mit dem begehrten Kindle-Allstar-Titel und sagenhaften vier Veröffentlichungen ab. Ich konnte vier Messen besuchen und hatte ein paar wirklich tolle Buchmomente. Das ist neben einem sehr fordernden Vollzeitjob und einem nicht minder ehrgeizigen Verlagsprojekt im Hintergrund doch beachtlich. Das Verlagsprojekt ist schwer, weil es neu ist und - das muss ich leider sagen - keine andere Branche so derart ablehnend, ja schon panisch auf "neu" reagiert, wie die Buchwelt. Aber da gilt: Ein Versuch geht noch. Wenn auch ein bisschen anders. Mal sehen. Die Leserparty jedenfalls war toll und wir haben uns sehr, sehr über die vielen positiven Rückmeldungen rundum glücklicher Menschen gefreut, deren Lob die Unkenrufe locker übertönten (auch wenn wir uns die Kritik natürlich für Neuauflagen zu Herzen nehmen). Ich bin einigermaßen gesund geblieben und habe dem Krebs erfolgreich ein weiteres Jahr abgetrotzt! Meine Tiere sind brav und munter und auch wenn ich mich von einem dieses Jahr verabschieden musste, gehört auch der Tod zum Leben. Das ist halt so.
2016 wird es mit den Leserpartys weitergehen, der Master Guide und endlich, endlich die Schwerttanz-Saga stehen am Start. Daneben zwei neue Projekte und hoffentlich auch der Agentin zweiter Teil. Mal sehen.
Wir lesen uns
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