Montag, 28. Dezember 2015

5 Dinge .... die 2015 für mich unvergesslich machten

Meine Kollegin Melissa David stellte uns diese Frage und das hat mich erst einmal zum Grübeln gebracht.

Um es vorneweg zu sagen, 2015 war ein Jahr wie eine nicht TÜV geprüfte Achterbahn ohne Sicherheitsbügel. Eher so im Stil von der Bergwerksfahrt von Indiana Jones, wenn ihr wisst, was ich meine. Ich bin ja immer für Tempo und die harte Trial and Error-Tour, aber heuer war ... extrem.

Erstaunlicherweise waren es viele sich wiederholende Themen, die mich mit ihrem Auf und Ab beschäftigt hielten. So wie ein guter Plot ja auch speziell die kleinen Nebenmotive getreulich immer wieder aufgreift und wie silberne Fäden neben den roten durch die Geschichte webt, damit sie funkelt und glitzert. Und auch wenn ich in meinem großen Plot den roten Faden bisweilen vermisse, bunt, funkelnd und glitzernd war 2016. Teilweise so glitzernd wie die Lunte an einem Pulverfass. Man soll es ja nicht beschreien, aber am Abend des 28.12. wage ich zu behaupten, dass es dann ja doch gut gegangen ist.

Was aber waren nun die 5 Dinge, die für mich das Autorenjahr 2015 geprägt haben?
  • Moral - da habe ich harte Lektionen erhalten, von Fremden und von Freunden. Aber ich stehe noch und wenn man die Dellen Kurven nennt, fühlt es sich sogar sexy an.
  • Fantasie und Wirklichkeit - "Gott hat einen harten linken Haken" singt Peter Fox. Das habe ich heuer besonders intensiv ausgetestet und stimme zu.
  • Berufung und Beruf - tja, oder die Bedeutung der Datumsgrenze, an der auch der beste Wille scheitert.
  • Begegnungen - darüber alleine könnte ich fünfzig Blogbeiträge und vier Bücher schreiben, aber die Datumsgrenze gilt immer noch und ich will euch auch nicht langweilen.
  • Zuversicht - es geht immer weiter. Das kann eine Drohung sein. Aber auch ein Versprechen.

Moral

Es begann eigentlich schon zwischen den Tagen mit einem Riesenskandal um E-Book-Piraterie und Grundsatzfragen zum Urheberrecht, die mich in verschiedenster Form das ganze Jahr begleitet haben. Ein paar Autoren waren menschlich zutiefst enttäuscht, dass ihnen persönlich bekannte "Fans", mit denen man sich öfter live getroffen hat, mit denen man Geburtstagskarten und Geschenke ausgetauscht hat, die Bücher auf privaten Tauschbörsen im großen Stil zum illegalen Download angeboten haben. Der Aufschrei, als dies publik wurde, war gigantisch. Die Empörung wandte sich dabei nicht nur gegen die "Piratenbräute", die hier nicht nur einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden angerichtet hatten (der sie dann auch teuer zu stehen kam), sondern auch gegen die "blöd herumheulenden Autoren". Es wurde über Idioten gelästert, die das Prinzip des Internets nicht verstanden hätten, argumentiert, dass man dagegen nichts machen könne, und den immer noch falschen Vergleich bemüht, dass Printbücher ja auch getauscht werden können. Abgesehen davon, dass ein Printbuch dadurch anders als eine E.Book-Datei nicht vervielfältigt wird, und das ganze Volk beständig über das Finanzamt und das Wetter klagt, gegen die man an sich auch nichts machen kann, die aber immerhin legal sind (auch wenn es sich gelegentlich anders anfühlt), ging es im konkreten Fall auch nicht um anonyme Buchabgreifer und Diebe, sondern um gute Bekannte, ja Freunde, die so etwas machen und das schmerzt im Privatbereich einfach mehr.
Schlimm fand ich persönlich den Unwillen, einfach mal Recht und Gesetz so gelten zu lassen, wie sie gedacht sind. Und wenn etwas per Gesetz explizit verboten ist, finde ich es beunruhigend, wenn ich dann diskutieren muss, warum ich möchte, dass das beachtet wird. Das würde ich sogar wollen, wenn ich das Gesetz für falsch hielte. Solange es gilt, gilt es. Schlimm fand ich den durchblitzenden Neid und die Missgunst, wenn naturgemäß gerade erfolgreiche Titel von der E-Book-Mopserei betroffen waren (die sind halt auch auf illegalen Seiten spannender als die Ladenhüter. Es werden in China ja auch die Designermarken kopiert und nicht die Billigmarken von KIK und Aldi).
Bergauf ging es dann durch wunderbare Aktionen wie von den verschiedenen Buchgruppen auf Facebook, deren Adminstratoren ungeachtet ihrer sonstigen Rivalität, da zusammenarbeiteten und Info-Gruppen bildeten und seither rigoros gegen solche Tauschangebote vorgehen und unermüdlich in ihren Gruppen Aufklärungsarbeit leisten. Gerade weil man die Täter nur schwer im anonymen Netz fassen kann, muss E-Book-Mopserei einfach so "uncool" und "arschig" sein wie z.B. Froschschenkel odr Gänsestopfleber zu essen oder Pelz zu tragen. Speziell die Initial-Aktion von "MyIndieBooks"  von Denise hat hier Zeichen gesetzt. Das war toll. Solidarität fühlt sich einfach gut an.
Ich habe mich daran gewöhnt. Profis sind beauftragt, die einschlägigen Datenbanken regelmäßig von meinen Titeln zu befreien und die Täter zu bestrafen, ich versuche, nicht nachzurechnen, wie groß der wirtschaftliche Schaden ist (und nein, mich tröstet nicht, dass die Piraten eh nicht kaufen würden, weil das eben nur zum Teil stimmt). Ich stelle fest, wie nach jeder Reinigungsaktion die Verkäufe signifikant ansteigen, was zeigt, dass eben doch "zur Not" auch der Wahnsinnspreis von € 2,99 bis € 3,99 für ein Buch ausgegeben wird. Dass "Agentin 006y" bereits in den Top10 der größten Piratenportale war, bevor Amazon auch nur ein Ranking festgestellt hatte, wäre ja schon fast wieder lustig, wenn es nicht so traurig wäre.
Wirklich betrübt haben mich Anfragen auf Piratenseiten, wann mein "Herausgelesen" etwa denn "endlich auch hier zu  haben" sei. Zu dem Zeitpunkt war das Buch für € 0,99 legal bei Amazon zu kaufen! Umgekehrt rührt es mich, wenn ehrliche Leser mich anmailen und fragen, ob ich am Print oder am E-Book mehr verdiene, weil sie mich beim Schreiben meiner Geschichten unterstützen möchten. Oder wenn sie mir sagen, dass sie das Buch erst im nächsten Monat kaufen können, weil sie in diesem kein Geld mehr haben. Das zeigt, dass es auch ehrliche Menschen gibt und das ist dann toll.

Geschmack, Fantasie und Wirklichkeit

Mich hat das als Autorin heuer hart getroffen, als unmittelbar vor der Veröffentlichung des Vampire Expert Guides die schrecklichen Ereignisse um Charlie Hebdo meine Autorenfantasie auf geradezu groteske Weise spiegelten und real machten. Mich hat geschockt, wie das, was ich mir am Laptop so "nett" ausdenke, in der Wirklichkeit dann wirkt. Und mich hat geschockt, wie krank meine Fantasie offenbar ist. Auf alle Fälle habe ich den Sturm der Werwolfzentrale mit der Entführung der Oberwerwölfin umgeschrieben und dafür die Veröffentlichung verschoben.
(Was muss das muss)

Dafür hätte ich mir nicht träumen lassen, dass alle Vampire Guides die Top 100 der Amazon-Verkaufcharts erreicht haben. Dass sie alle im umkämpften Vampirgenre den Spitzenplatz belegen durften und auch mein Genrewechsel mit der Agentin 006y so gut gelungen ist, dass ich immerhin Aufsteiger des Tages war. Das sind Erfolge, die anspornen und zum Weitermachen motivieren. Das ist das ehrlichste Feedback meiner Leser und mehr als ich je zu träumen gewagt hätte. Die Wirklichkeit überholt manchmal rechts.


Doch das kann auch schief gehen. Etwa mit der Flüchtlingswelle, die im Sommer München erreicht hat. Mein Vampire Master Guide machte mir da plötzlich gar keine Freude mehr, denn er beschäftigt sich sehr mit Rassismus - oder eher Speziezismus, den Vorurteilen die Vampire von Werwölfen, Werwölfe von Elfen und Elfen von allen anderen haben ... Das mag jetzt albern klingen, aber ich will nicht nur sich liebende Vampire, glitzernde Werwölfe oder schmachtende Elfen. Das ist Zubehör. Ich möchte hinter meinen Geschichten Wahrheiten erzählen. Fragen stellen und vielleicht - wenn es gut läuft - auch beantworten. Aber nachdem ich selbst tagelang auf der Messe ausgeholfen und überhaupt erst einmal geholfen habe, das Helfen zu organisieren, waren meine Wahrheiten überholt, passten meine Fragen nicht mehr und Antworten hatte ich schon gar nicht. Wieder war mir das Schreiben verleidet worden. Deshalb sitze ich auch immer noch am Vampire Master Guide, den ich aber im Januar fertigstellen will und werde. Mehr als ein Jahr darf ich euch nicht warten lassen.

Beruf und Berufung

Eines hat mir 2015 gezeigt: Ich möchte Autor sein
Das ist so eine fixe Idee von mir, die mich seit Jahren verfolgt und zu der ich auch schon genug gesagt habe (Die Geschichten müssen raus). 
Doch dazu genügt es nicht, Bücher auf den Markt zu schmeißen (oder über Verlage schmeißen zu lassen). Für mich hat das mit Professionalität und Hauptberuf zu tun. Muss es nicht, ich weiß, aber tief in mir drin, besteht etwas darauf, dass Autoren ohne das despektierliche "Hobby" davor, eben davon leben können sollten. 
Dass ich nach dieser Definition noch kein Autor bin, liegt nicht nur an den oben beklagten Verlusten durch E-Book-Piraterie, an der Verfressenheit meiner Haustiere oder meinem allgemein zu luxuriösem Lebenswandel. Meine Bücher verkaufen sich inzwischen ganz ordentlich. Ich bin keine Top-Autorin, aber das kann noch werden. Michael Ende sagte mal "Literarischer Erfolg sei eine Frage des Portos", das ist nicht mehr ganz zeitgemäß, aber trotzdem richtig. Ein oft benutztes und vielen Autoren zugeschriebenes Zitat, das ich historisch frühest datiert in einem Brief von Tieck an Brentano (oder war es umgekehrt) gelesen habe, besagt, die meisten Autoren scheitern an ihrer Ungeduld. Das glaube ich inzwischen nach vielen, vielen geweinten Frustränen gerne, aber ich beherzige die darin verborgene Botschaft. Ihr werdet mich nicht los!
Deshalb versuche ich, um Autor zu sein, auch den Buchmarkt, der mich ernährt zu verstehen, und ggf. auch zu gestalten, damit er mich auch künftig ernähren kann. Das ist sehr schwierig, denn der Buchmarkt ist in Bewegung. Horizontal, weil viele neue Formate - Hörbücher, Ebooks, Multimediabooks - auf den Markt drängen und damit auch vertikal das traditionelle und seit Gutenberg gefestigte Gefüge von Autor - Agent - Verlag - Distributor - Buchhandel aufbricht. Gerade, weil der Großteil meiner Kollegen sich noch stolz auf die Brust klopft, wenn er ja "nur schreiben" will, ist das eine sehr schwierige Lage, bei der am Ende zuerst der Autor verlieren wird. Egal, ob man Verlagsautor oder Selfpublisher ist, man muss verstehen, womit man letztlich sein Geld verdient. Ich finde das sehr, sehr spannend und werde diesen Weg weiterverfolgen. Auch wenn ich mir da gelegentlich speziell in Autorenkreisen so vorkomme, wie weiland die Charles Lindbergh, als er gerade die Spirit of St. Louis betankte. Wir werden sehen.
Der "Weihnachtsmuffel zum Verlieben" ist eine kleine Geschichte, mit der ich meinen zwei Stimmen in mir zum Thema Weihnachten einen Rahmen bieten wollte, das einmal sauber auszudiskutieren. Es war ein Schnellschuss. In drei Tagen geschrieben, in drei Stunden das Cover gebaut und drei Tage später nach dem Korrektorat veröffentlicht - ganz ohne Werbung, ohne Vorankündigungen, Gewinnspiele und Pompoms ... rannte geradewegs in die Charts. Und das gegen die Megakonkurrenz von Millionen Aktionen im Advent und Veröffentlichungen von Top-Autoren. Ich bin nicht nur sehr erstaunt, sondern auch sehr ermutigt. Das war mein Jahreshighlight.

Begegnungen

Ich bin - obwohl ich keinen Tag Urlaub machen konnte - 2015 viel herumgekommen und habe unendlich viele faszinierende Menschen treffen dürfen. Das hat mir sehr viel gegeben und ich hoffe, dass ich diese Eindrücke irgendwie auch in meinen Geschichten verarbeiten kann, die ja von den Figuren leben, die sie tragen. Damit meine ich nicht nur die faszinierenden, ermutigenden und niederschmetternden Geschichten, die mir Flüchtlinge in der Messehalle oder am Hauptbahnhof in München erzählten. Die Angst, als ich hörte, das Lokal von Bekannten sei im Zentrum des schrecklichn Attentats von Paris, die mir zum ersten Mal das Gefühl gegeben habe, dass man sich nicht nur aktiv in Gefahr begeben kann (mach ich oft aus verschiedensten Gründen), sondern dass man Sicherheit auch ganz schnell und einfach verlieren kann. Man geht auf ein Fußballspiel, es kracht und schwupps - ist man Flüchtling in einer Stadt im Ausnahmezustand. Das hat mich verändert, und auch meine Geschichten.
Das klingt so düster, doch das ist es nicht. Das ist das Leben in all seinen Facetten und so war es schon immer. Nur jetzt ist es mir bewusst. Das ist gut. Das sind neue Farben, auch wenn sie eher gedeckt sind. Bunt ist meine Lieblingsfarbe.
Heuer zur Leipziger Buchmesse konnten wir zusammen mit ein paar befreundeten Autoren mit einem kleinen Kunstgriff auf bezahlbare Weise unseren Lesern eine Anlaufstelle bieten, die - obwohl sie in der hintersten Halle fernab von all den coolen Ständen lag - begeistert angenommen wurde. Und das nicht nur der Sitzplätze wegen. Es ist ein tolles Gefühl, wenn man Menschen, denen man fast jeden Tag virtuell begegnet, denen man bei Sorgen und Nöten beisteht, bei denen man auch selbst jammert, mal gleich ein paar Tage live und in echt zum Anfassen erleben darf. Es ist lustig, weil sie genauso sind, wie man sie sich vorstellt und doch ganz anders. Ich möchte das nicht missen. Und auch wenn ich von einigen Kollegen, von denen ich
eine hohe Meinung hatte und eigentlich immer noch habe, sehr verletzt wurde (Bodensatz der Gefühle), freue ich mich, dass ich so viele wirklich nette Kollegen habe, mit denen ich mich über meine und auch über ihre Erfolge freuen kann.
Ich hoffe sehr, dass speziell diese Messeaktionen sich auch im neuen Jahr wiederholen lassen, weil ich sie für eine für alle Seiten gute Sache halte.
Ausnahmslos wunderbar waren die Begegnungen mit Lesern. Ob das auf der Blogtour zu den Vampire Guides oder in meiner heißgeliebten Kuschelleserunde war - das Feedback der Leser ist für den Autoren, das, was der Applaus auf der Bühne für einen Schauspieler ist. Das ist unbezahlbar und das kann man gar nicht oft genug sagen (Loblied an den Leser!).
Da waren Leser, die auf der Bucon auf mich zustürmten und Autogramme wollten oder extra auf die RPC gegangen sind, um mich zu treffen (das fühlt sich soooooo seltsam an, ich schwanke da zwischen Verlegenheit und Stolz). Da war die Frankfurter Buchmesse, wo ich an Verlagsständen von Buchmenschen - Agenten wie Verlegern - plötzlich geschäftsmäßig auf Augenhöhe begrüßt wurde, die mich noch im Vorjahr mit dem Hinterteil nicht angesehen haben ... und natürlich die Leserparty, die erste ihrer Art, die - obwohl man gewiss noch verbessern kann - doch die Teilnehmer überwiegend glücklich gemacht hat und insofern ein großer Erfolg war. So sagt es jedenfalls Facebook und das Internet und die müssen es ja wissen.
Es ist schön, wenn man Menschen trifft, die man - obwohl man sie nie gesehen hat, auf eine sehr intime Weise von Seele zu Seele durch die Geschichten erreicht hat, die man erzählt. Denn manchmal, manchmal nur, aber auch nicht so wahnsinnig selten, spürt man beim Lesen das Herz des Autors schlagen, fühlt sein Anliegen mehr als dass man es rational zur Kenntnis nimmt, und kommt ihm damit nahe. Das ist das Wunder des Lesens, denn es funktioniert frei von den Schranken, die uns Zeit und Raum auferlegen. Und das macht mich demütig und glücklich, dass ich an diesem Wunder mitwirken darf.  

Zuversicht

Nein, 2015 war ein Jahr, das sich in der Rückschau wie drei anfühlt, und dabei habe ich jetzt nur über das Autorenjahr gesprochen. Es war fordernd, aber nicht nur schlecht. Gar nicht, denn aus allem Schlechten ist immer auch was gutes geworden. Es stimmt schon, was Mutter Natur lehrt: Auf dem größten Scheiß, wachsen die besten Pflanzen. 2015 wurde genug gedüngt. 2016 holen wir uns dann die Blumen in aller ihrer Pracht!

Das wird schrecklich ... sagt der Kopf, denn wer viel vorhat, kann auch oft scheitern, und der Bauch grummelt dazu vorsorglich (ein wunderbares Wort: Vor-Sorg-lich), aber wenn ich dann an ihnen vorbei nach innen höre , dann höre ich mein Herz schlagen. Das wird schrecklich ... schrecklich schön.

Es ist eben immer eine Frage der Perspektive.



Andere Perspektiven haben hier natürlich meine Autorenfreunde.
Melissa David, die hier ihr Debütjahr Revue passieren lässt.


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