Dienstag, 26. März 2013

Leidwolllust - der Autor und seine Geschichte



Oder die Beziehung mit einer Geschichte.

Leidwollust! Anders kann ich zumindest es nicht beschreiben, was es ist, dass mich und viele, viele, viele andere Autoren dazu bringt, ihre Zeit, ihre Seele und ihr Herzblut an eine Geschichte zu verpfänden und zu Selbstgespräche führende und wirre Dinge auf Notizzettelchen kritzelnde Soziopathen macht.
Das Verhältnis zwischen einem Autor und seiner Geschichte ist in den allermeisten Fällen eine Hassliebe. Mit allen Höhen und Tiefen, die man sich für eine griechische Tragödie wünschen würde. (Melo)Dramatische Begriffe wie Herzblut und Seelenschmerz werden bei der Diagnose gern verwendet. Sado-masochistische Tendenzen werden in besonders schlimmen Fällen festgestellt.
Leidwolllust eben.
Die dieser Beziehung innewohnende Physik ist kompliziert. Der Leser begibt sich in die Geschichte, indem er ein Buch aufklappt oder seinen Reader anschmeißt. Auch in der Geschichte geht alles geordnet zu. Alice tauchte durch einen Spiegel ins Wunderland und nach Narnia geht es durch den Kleiderschrank. Das ist einfach und überschaubar. In die fiktive Welt einer noch ungeborenen Geschichte hingegen, geht es gar nicht! Die will raus und stülpt über den Autor in die Außenwelt, quillt ihm in bester kafkaesker Manier aus den Ohren, zwingt ihn nächtens vor den Block oder den PC und je mächtiger die Geschichte ist, desto schwieriger ist es für den Autor, sich und sein Alltags-Biotop gegen die Geschichte zu behaupten. Doch damit nicht genug. Denn zugleich zerrt die Geschichte auch Teile, Fragmente des Autorenselbst in ihre Welt zurück. Erfahrungen, Erlebnisse, Meinungen – all das verleibt sie sich ein. Transformiert es. Speit es wieder aus. Dieses Hineinzerren und Hinausstülpen führt zu einem Chaos, das kaum zu beherrschen ist. Der Versuch allein ist hochgradig emotional. Und wenn der Autor versucht, sich zu widersetzen, dann bockt die Geschichte. Schreibblockade. Und dieser kreative Sitzstreik irgendwo in schwer zugänglichen Regionen des Gehirns kann sich schon einmal ein paar Tage hinziehen. Oder ein paar Wochen. Oder Jahre. Das weiß nur die Geschichte selbst. Das Biest! 
Bis sie eines Tages wieder hervorgekrochen kommt, genau dann, wenn wir sie gerade gar nicht brauchen können. Und dann zwingt sie uns wieder in Klausur. Siehe oben. 
Es ist eine Metamorphose zwischen dem, was werden will und dem was ist, hin zu diesem geheimnisvollen „Was sein soll“. Der Autor ist dabei der Sieb, der Katalysator und er bleibt nach dem magischen Wort „Ende“ ganz unten rechts im Skript allein zurück. 
Erschöpft, ausgelaugt, aber glücklich, euphorisch, high.
Auf dem Weg dorthin kann sich der Autor ein Stück weit mit solidem Handwerk schützen. 
Mit anständiger Sprache und Plottechniken, mit Spannungsbögen und sauberer Charakterentwicklung. Sie alle helfen das kreative Chaos zu bändigen und die Erzählwut zu zähmen. Doch sie können die Kreativität auch töten. Den Mittelweg muss jeder für sich selbst finden. Aber die Waffen stelle ich hier alle vor. Nach und nach. Wenn meine Geschichte mich lässt.

2 Kommentare:

  1. Das kommt mir sehr bekannt vor. Ich ringe auch seit über einem Jahr mit dem ersten Band einer Trilogie, und seit 2008 mit einem Plot, den ich dann erstmal ad acta gelegt habe. Mir hilft exzessives Planen, das macht so gut wie nie was kaputt, aber das ist auch eine typfrage, glaube ich.

    LG,
    Alana

    AntwortenLöschen
  2. Solides Handwerk ist Grundlage fuer jede Art von Schreiblust! Das kann man lernen, wenn es dabei bleibt wird es manchmal "ganz nett" das Geschriebene. Wenn solides Handwerk fehlt wird es Mist, Schwulst, Langeweile... oder einfach wieder bearbeitet. So lange bis kein "Handwerksmeister" mehr tadeln will und kein Tadler mehr ernst genommen wird. Je mehr der Schreiber seinen Lesern zutraut und zumutet, desto sinnvoller wird sein Leiden am Schreiben. ABER nicht vergessen: Weiterschreiben an der Geschichte, nicht beim Beschreiben des Schreibens bleiben! X.D.C.

    AntwortenLöschen