Samstag, 12. Juli 2014

Hartes Brot oder gar brotlose Kunst - Marktwirtschaft für Autoren

Eyes-of-the-wolf- unser täglich Brot(www.piqs.de)
Es regnet. Das Brot ist alle, was die samstägliche Frühstücksfreude dämpft.
Auch wenn die gähnende Leere im Brotkasten des Hauses Noa jetzt nicht anhaltender Armut sondern eher kreativer Schusseligkeit geschuldet ist, empfinde ich das als deprimierend. Denn es regnet und der Weg zum Bäcker wäre mit einem Schlauchboot leichter zu bewältigen als mit dem Fahrrad.

Gleichwohl eine gute Gelegenheit über die Brotlosigkeit der Kunst nachzudenken. Eine Beschäftigung, die ziemlich exakt genauso unerfreulich ist, wie Marmelade ohne Brot. (Gut, dass ich auch Nutella habe... die geht auch pur *muahaha*).
Aber zurück zum Thema, denn das ist ernst.

Um für das Schreiben zu leben, muss man irgendwie auch vom Schreiben leben.
(click to tweet)

Passend zu dieser Erkenntnis schreibt heute der Tagesspiegel, dass SP boomt und die meisten Autoren wenigstens ein paar Euros verdienen... Aber das ist natürlich falsch. Einnahmen sind kein Gewinn, wie jeder der nur das betriebswirtschaftliche Verständnis eines Grundschülers mitbekommt bestätigen kann (ggf. mit freundlicher Unterstützung des Finanzamts, das da ziemlich starre Ansichten vertritt).

Gestern hat meine liebe Autorenfreundin Elke Aybar, die als Self-Publisher das überaus erfolgreiche "Geheimnisse von Blut und Liebe" veröffentlicht hat, auf Facebook ausgerechnet, dass sie mit ihrem Buch einen Bilanzertrag von -18,00 €/h erzielt (MINUS 18 Euro für jede Arbeitsstd. am Buch). Solche Nachrichten können einem auch die Laune verhageln, wenn draußen die Sonne scheint. Nun rechnet Elke dabei den entgangenen Gewinn aus ihrem Brotjob mit hinein, den sie gehabt hätte, wenn sie die Zeit für diese Arbeit statt für Schreibarbeit genutzt hätte. Das relativiert die Rechnung natürlich ein wenig, denn damit hängt der "Verlust" nicht so sehr vom Erfolg des Buches sondern vom Erfolg (Einkommen) des Brotjobs ab. Das heißt, dann wäre ein Autor mit Brotjob im Niedriglohnsegment fast automatisch erfolgreicher als derjenige Schreiber, der nebenbei einen Spitzenverdienst hat.
Aber es beleuchtet trotzdem, dass auch die nicht ganz brotlose Kunst ziemlich hartes Brot ist. So hart, dass die weitaus meisten Autoren nebenbei (oder auch vorrangig) einem Brotjob nachgehen.
Annika Bühnemann hat passend in ihrem Blog 7 Gründe genannt, warum man schon vom Schreiben leben kann. Aber irgendwie haben mich die eher demotiviert als aufgebaut. Denn eigentlich sind das Gründe, Self-Publisher nicht schief anzuschauen, die herzlich wenig damit zu tun haben, ob und ggf. wie man von der Schreiberei leben kann.

Zahlenspiele zum Buch
An dieser Stelle sitze ich allein am Esstisch, der Hund ist frustriert gegangen, weil es nichts zu essen gibt, die Katzen haben eh Kittybusiness in der Nachbarschaft und mein Mann - ja wo steckt der eigentlich?
Wie immer, wenn ich in dieser Stimmung allein bin, gesellen sich meine kleinen Alter Egos zu mir, die inneren Stimmen, die mich beraten, aber leider nie einer Meinung sind. Gemeinsam arbeiten wir heraus, was Schreiben für mich bedeutet:
Ich habe für die je knapp 300 Seiten der Vampire Guides jeweils ziemlich genau 150 h reine Schreibarbeit investiert. Dazu kommen dann nochmals die Stunden für die Nacharbeit, wenn das Buch aus dem Lektorat kommt, die Diskussionen um das Cover inkl. Motivsuche und Besprechungen (ohne meine liebe Jacqueline Spieweg hätte ich das eh nie, nie, nie geschafft). Und das Formatieren und Hochladen bei Amazon und diversen anderen Shops. Gut letzteres ginge vermutlich auch schneller, wenn nicht ausgerechnet ich am PC säße, eine unheilbare Technik-Blondine. Aber wenn ich das delegiere, muss ich auch diese Leistung bezahlen und damit weiter in Vorleistung gehen. Also reales Geld ausgeben.
Dann beginnt das Marketing - neben dem Schalten kostenpflichtiger Werbung bei xtme, den E-Book-Ninjas, auf Facebook oder in anderen Foren (soweit überhaupt erschwinglich) . investiert man auch hier das teuerste, weil inflationsunabhängig unverhandelbar limitierte Gut: Zeit. Das Vorbereiten und Abhalten von Leserunden (ca. 1h/Tag der Leserunde), das Vorbereiten von Werbematerial und Posten in Foren und Gruppen, der Kontakt zu Fans, das Bearbeiten von Anfragen, das Monitoring der verschiedenen Rankings, die Präsenz im Web, auf Facebook, G+, Twitter, Lovelybooks ... Das ist nun keine Arbeit, die mich Überwindung kostet, aber es ist zeitintensiv und es ist eine Tätigkeit, von der andere leben, weil sie es als Hauptberuf ausüben.

Erfolg = Gutes Produkt + Sichtbarkeit + Interesse der Zielgruppe
Annika schreibt zu Recht, dass man mit einem guten Produkt und genügend Zeit für professionelles Marketing sowie einem guten Netzwerk (das einem auch nicht zuläuft, sondern unter Zeiteinsatz gehegt und gepflegt werden will) sehr wohl Erfolg als Autor haben kann (Grund 1). Sie argumentiert dann weiter, dass man als erfolgreicher SP-Autor auch gute Chancen hat, einen Verlagsvertrag zu bekommen. Doch das ist - sorry - eine Themaverfehlung, denn ich kenne genügend Verlagsautoren, sogar Top-Autoren großer Publikumsverlage, die gleichwohl nicht davon leben können, Autor zu sein. Von jedem verkauften Buch bekommt ein Verlagsautor etwa 10%. Ich muss also schon sehr viele Printbücher verkaufen, um auch nur meine Miete bezahlen zu können...

Kosten + Zeit + anderweitige Verpflichtungen = Sachzwang
Wenn ich das so aufzähle, sitzt auf meiner linken fantasiebegabten Schulter eine kleine Kay mit Rechenschieber und schüttelt den Kopf. "Wenn das so ein Riesenaufwand mit unsicherem Ausgang ist, dann lass es doch", sagt sie. "Können wir uns das leisten? Ich denke nicht. Frag den verfressenen Köter, Dein verfressenes Ross und Deine stetig hungrigen Katzen, ob die für Sparkurs sind..."
Zum Glück kommt mir auf der rechten Schulter sitzend die kleine Künstler-Kay zu Hilfe, die mit den Tintenflecken am Ärmel und der zerrauften Frisur. Sie weist etwas pikiert darauf hin, dass das Schreiben nicht nur ein Job ist, sondern ein Drang, ein elementares Bedürfnis wie eben Essen auch. Dass eine Geschichte, die im Kopf entsteht, nach draußen will, mit Macht.
Die Controller-Kay rümpft die Nase. "Wenn die Macht nicht reicht, um den Vermieter und die Bank zu überzeugen, dann hat sie eben  Pech gehabt, die Geschichte. Sie kann mal in der Buchhaltung vorbeischauen, da erkläre ich ihr dann anhand einiger Excel-Sheets die hässliche Bedeutung des Wortes Sachzwang..."
Hält man ihr nun Annikas Berechnung (Grund 3) unter die gerümpfte Nase, lacht die Controller-Kay. Abgesehen davon, dass ab nächstem Jahr die Umsatzsteuer im Verkaufsland gilt, also wir für e-Books 19% berappen müssen, wird hier völlig vergessen, dass ein Buch schreiben eben nicht nur Zeit kostet, sondern auch Ausgaben mit sich zieht. Selbst wenn man jetzt (wenig professionell) auf Cover, Lektorat und Marketingausgaben verzichtet (was man auch laut Grund 4 der großen Freiheit nicht tun sollte), benötigt man dennoch Equipment, einen Computer, eine zuverlässige Internet-Verbindung, die es mir ermöglicht, meine Netzwerke zu pflegen etc. - und auch wenn ich das vielleicht privat auch hätte - der Online-Anbieter will das ebenso wie der PC-Laden bezahlt haben und wenn ich nun als Autor leben will... muss ich das von meinem Buchverkäufen bezahlen.

Gewinn = Einnahmen -Kosten 
Man kann vom Schreiben leben, wenn die Erlöse aus den Buchverkäufen meine Kosten decken. Das hängt von 2 Parametern ab, nämlich der Höhe der Kosten und der Höhe der Bucherlöse. Unterstellt, man will am ersten Parameter nicht mehr schrauben, weil man eh schon weit über seinen Verhältnissen aber lange nicht standesgemäß lebt, dann bleibt nur der zweite. Bucherlöse kann ich erhöhen, indem ich mehr Titel für mehr Geld an mehr Leser verkaufe.

An dieser Stelle kommt nun die Außenwirkung ins Spiel.

Höhere Einnahmen 
Teurer ist immer schwer.
Der Preisverfall für E-Books, die jenseits der Preise, die der angeblich buchverliebte Leser für eine Stulle oder auch nur einen Starbucks-Coffee ausgibt, vollkommen inakzeptabel sind, macht es uns Autoren nicht leichter. Durch die Buchmarkt-Zecken, die Piratenportale, wo es Bücher unter Umgehung des Autors für kleines Geld im Cent-Bereich gibt, verschärft sich die Situation noch weiter.
Also kann ich versuchen, die Bücher in der Herstellung billiger zu machen.

Geringere Kosten
Das ist auch nicht leichter.
Matthias Matting hat in der vielbeachteten Selfpublisher-Studie 2014 herausgefunden, dass nun die Hälfte aller Indies z.B. Korrektorat und Lektorat fremd vergeben (Frage 21), also mit anderen Worten mehr oder minder professionell von Dritten durchführen lassen. Das klingt skandalös (und hat mich als lektorierter Autor auch geärgert), denn das bestätigt - leider - genau das Vorurteil, dass sehr viele handwerklich schlampige, ja schlechte Bücher auf dem Markt sind, was die Leser vom Kauf von verlagsfreien Büchern abhält.
Tatsächlich bewegen sich die Preise für ein professionelles Lektorat oder auch nur Korrektorat deutlich über dem von den allermeisten E-Books zu erwartenden Einnahmen, d.h. es ist für den Autor mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Verlustgeschäft.

Selbst schuld, könnte man sagen, denn wenn der Leser wie der Esser eben nicht den Preis bezahlen will, der für ordentliche Ware erforderlich ist, dann bekommt er eben Dreck wie Genschrott, Gammelfleisch und Tierquäler-Eier. Das hilft mir aber nicht, denn immer noch verkaufe ich nicht genug. An dieser Stelle nimmt die Künstler-Kay all ihren Mut zusammen, stampft mit dem Fuß auf und erklärt, dass eine derartige Qualitätseinbuße auf gar keinen Fall in Betracht kommt. Pfusch mit unserem Namen darauf, das soll nicht sein.

Höherer Umsatz
Damit bleibt nur die Möglichkeit, mehr zu schreiben. Denn nicht nur, dass man dann einfach insgesamt mehr verkauft, befruchten sich üblicherweise die Titel auch gegenseitig.
Theoretisch.
Die Controller-Kay rollt mit den Augen und weist auf meine Armbanduhr. Der Tag hat 24 Stunden und viele meiner Pläne scheitern schlicht an der Datumsgrenze. Da hat sie natürlich Recht. 0,5 h pro Seite Buch, bis es nach Überarbeitung fertig ist, zzgl. Lektoratszeiten und Marketing, das mindestens 1/3 der Autorenzeit ausmacht, eher mehr, wenn man kleinlich rechnet. Das heißt, ich muss entweder meine Arbeitszeit im Brotjob reduzieren oder aber meine Freizeit inkl. notwendiger Zeiten für Haushalt (oder Geld für eine Putzfrau), Körperpflege etc. auf ein absolutes Minimum reduzieren. Blöd nur, dass viele Ideen für meine Geschichten aus meinem Leben neben dem Computer stammen... Ein Teufelskreis. Die Rechnung erfordert zudem kontinuierliches Schreiben. Annika verlangt in ihren Gründen 3 Bücher pro Jahr. Das ist nebenbei fast nicht zu schaffen. Das muss es aber, denn der Leser ist ein vergessliches Wesen, das regelmäßig mit neuem Futter versorgt werden will, und wenn es das von mir nicht bekommt, wird es andernorts nach Nahrung suchen.

Zielgruppenrelevanz
Ein grausames Wort. Meine Bücher sind meine Babies, ihre Leser meine Freunde.
Doch die Controller-Kay ist gnadenlos. "Hast Du Dir mal Gedanken zu Deiner Zielgruppe gemacht? Wie viele Menschen würden sich denn für Deine Geschichte überhaupt interessieren? Du schreibst gerade mit feinem Humor einen paranormalen Krimi mit Romantik-Elementen." Sie schnalzt missbilligend mit der Zunge. "Spielt er in Schweden oder wenigstens in England? Nein, das ist schlecht für den Krimi und für das Paranormale auch. Wird wenigstens gefesselt und gepeitscht? Ein bisschen reicht nicht, die lüsterne Leserschaft will da möglichst abwegig bedient werden. Wie viel Liter Sperma sind enthalten?" Die Künstler-Kay windet sich verlegen. "Wie groß also ist die Zielgruppe?" Die Controller-Kay könnte jederzeit als Domina durchgehen. "Von deiner High-Fantasy-Gruppe wollen wir überhaupt nicht reden. Wer liest das denn? Wie viele Leser werden also - unterstellt jeder Leser erfährt von diesem Buch - es aus Interesse kaufen? Würde das reichen?"

Lebensunterhalt = Gewinne > private Kosten + Reserve
Damit kommen wir zu dem, was die Controller-Kay der Künstler-Kay begreiflich machen will. Ein Buch zu schreiben, kostet nicht nur Zeit, sondern auch an irgendeiner Stelle des Prozesses Geld. Selbst wenn man der SP-Studie glauben will und immerhin ein Drittel der Bücher ohne direkten Einsatz von Geld veröffentlicht werden. Denn wir alle sind gezwungen, unseren Lebensunterhalt zu bestreiten, indem wir unsere Arbeitsleistung und vor allem Zeit verkaufen. Das Investment von erheblichen Zeiten in ein Buch führt - so auch die Rechnung von Elke - unweigerlich dazu, dass sie andernorts nicht zur Verfügung stehen, z.B. beim Geldverdienen. Das führt nun durch sanften Druck des Bank-Sachbearbeiters und einem Sommer, der viel lieber Winter wäre, dazu, dass man einen weniger sorgfältig vorbereiteten Text herausgibt, in der Hoffnung, dass es reichen wird - oder eben gar nicht mehr. Man muss nämlich den Gesetzen des Marktes gehorchen und dem Diktat der Masse, wenn die Herzens-Buddies nicht so zahlreich sind, dass ich von ihnen in einer ökonomischen Nische leben könnte.
An dieser Stelle bricht die Künstler-Kay in Tränen aus. Soweit ihrem Geschluchze zu folgen ist, will sie aber schreiben. Ich stimme ihr zu. Schreiben macht mich glücklich. Doch das ist leider noch kein Grund für die Machbarkeit. Viele Träume scheitern an den Hürden der sozialen Wirklichkeit. Und auch wenn am Dienstag der Vampire Practice Guide in die Läden kommt - steht meine schriftstellerische Zukunft wieder auf dem Prüfstein.

Und was heißt das konkret?
Die traurige Wahrheit ist, dass wir, die wir Bücher lieben (und hier seufzt auch die Controller-Kay, die gar nicht so übel ist, wenn man sie näher kennt), darauf angewiesen sind, dass in der Wertschätzung auch der WERT wieder eine größere Rolle spielt. Ein Buch kostet Zeit, Geld, Herzblut, Nerven. Und nur wenn dafür ein ungefähres Äquivalent zurückkommt, können wir schreiben. Und nur dann auch andere Sachen, als das, was derzeit auf Popcorn-Niveau als Massenware abgefragt wird.

Ich muss essen, meine Miete und den Strom bezahlen, weil ich sonst gar nicht mehr schreiben kann. In Zeiten, in denen wie durch Zauberhand die Zeit immer knapper wird, obwohl wir doch so viele Dinge in unserem Leben haben, die uns doch Zeit sparen sollen, kann ein gutes Buch nur entstehen, wenn man ein Minimum an Vergütung bekommt (und eh - selbst beim Regale auffüllen im Supermarkt, würde der Großteil der Autoren ein Vielfaches an Stundenlohn erzielen). Wenn Bücher zunehmend billiger werden, ohne dass signifikant mehr Leser einkaufen, trocknet der Markt aus. Das bedeutet, dass professionelle Bücher nicht mehr rentabel sind und daher nicht mehr angeboten werden. Die Vielfalt wird sterben. Nur noch pappiges Weißbrot statt spannender Vollkorn-Kreationen.

Mein Mann kommt zurück. Leicht feucht. "Ich hab Semmeln gekauft", sagt er. Das ist fein. Wer mich liebt, gibt mir zu Essen.   

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen