Was macht einen Indie-Autor aus?
Was ist Freiheit?
Eine vermeintlich einfache Frage, aber eine ohne einfache Antwort.
Es kommt darauf an, sagt der Jurist in mir. Denn der Wert der Freiheit lässt sich nur in der Bezugsgröße ermessen.
Freiheit von Geld ist ganz was anderes wie Freiheit von Krankheit.
Wie ist dann mit der Verlagsfreiheit?
Machen wir uns nichts vor, die allermeisten Autoren hätten gern einen Verlag und sehen im Indietum eine Not, die man als Tugend verkaufen kann. Da tut man groß und preist die Freiheit und Unabhängigkeit, aber wenn dann ein noch so kleiner schäbiger Klitschenverlag mit einem Verträglein winkt, kommen die allermeisten sofort angewedelt wie ein ausgehungerter Straßenköter.
Wir reden von Freiheit, aber wir suchen Geborgenheit und Sorglosigkeit.
Es gibt heute so viele wunderbare Möglichkeiten, selbst ein Buch seinen Lesern vorzustellen, aber am Ende geben wir sie aus der Hand, verkaufen die Rechte an unseren Herzensprojekten für noch nicht mal 20 Silberlinge. Wir geben uns mit Honoraren ab, die unter denen des Lektors, der Korrektors, des Coverdesigners liegen, obwohl wir das Produkt liefern, das jene veredeln.
Wir träumen von künftigen Erfolgen und verschachern dafür heute unsere Leistungen der Vergangenheit, all die einsam durchgetippten Nächte, in denen uns nur der lauwarm gewordene Kaffee Gesellschaft geleistet hat..
Ist es wirklich erstrebenswert für 5% etwaiger Verkaufserlöse (also abzüglich der Margen, die der Zwischenhandel erhält) auf alle Zeiten sämtliche Rechte abzutreten? Einzuwilligen, dass das eigene Werk verramscht wird, hinzunehmen, dass der Verlag sich angemessen um die Vermarktung eines Werkes bemühen wird, dessen Titel, dessen Aufmachung, dessen Ausstattung er selbst und notfalls auch gegen den Autorenwunsch bestimmt. Das verramscht werden darf, wenn nicht eine Auflage erzielt wird, die so hoch definiert ist, dass das Recht auch gleich bedingungsfrei ausformuliert werden könnte.
Das habe ich heute eine Autorenfreundin gefragt, die ernsthaft meinte, das sei immer noch besser als gar kein Vertrag. Wirklich? Die Taschenbücher, mit denen der Autor gelockt wird (Print! Ich bin ein Printautor!!), werden nie in einem Buchladen aufliegen. Sie werden nie beworben, keiner wird sie bekommen, der nicht gezielt und explizit nach ihnen frägt.
Was bleibt dem Autor dann?
Freiheit bezahlt man mit Verantwortung. Sicherheit kostet Freiheit.
Aber brauche ich als Autor Sicherheit? Haben wir hier irgendwas zu verlieren, außer unsere Träume? Rechnet einer von uns damit, mit seinem Erstlingswerk seinen Lebensunterhalt zu verdienen (auch wenn wir alle von der Autorenvilla am See träumen)? Woher kommt also diese Faszination Verlag, die uns in Abhängigkeiten treibt. Wir verkaufen mit unseren Buchrechten ein Stück unserer Seele für 5%. Warum?
Ein fairer Verlag sollte seine Autoren als Grundvoraussetzung für seine Tätigkeit respektieren. Ihm auf Augenhöhe begegnen.
Wow, das klingt gut. Das klingt richtig überzeugend. Toll. Aber was heißt das konkret.
Welche Tantieme sollte dem Autor mindestens bleiben? Ich lese oft 10%, dann 7%, jetzt werden 5% akzeptiert. Das ist zu wenig. Damit kann man nicht verdienen. Sagen wir idealerweise 10% und 50% vom E-Book?
Ich würde vielleicht mit den 5% noch leben können. Aber dann würde ich, wenn mein Buch nicht mindestens eine zu definierende Umsatzgröße durch die Vertriebstätigkeit des Verlags erzielt, die Rechte zurückhaben und mein Glück allein oder andernorts versuchen wollen.
Ich möchte bestimmen dürfen, wie das Buch heißt, denn dieser Titel wird auf ewig mit mir verbunden sein. Was wäre aus Goethe geworden, wenn man statt Faust von Teufels Wettbüro gesprochen hätte. Oder aus Mann, hätte ein Verleger beschlossen, dass hinter Müller mehr Identifikationspotential steckt als hinter den Buddenbrocks.
Und das gleiche gilt für Cover.
Oder für Inhalte. Habe ich wirklich nur vergessen, eine Sexszene oder Multikultipotential einzubauen oder wollte ich das bewusst nicht? Weil ich mein Buch nicht als Wichsvorlage feuchter Leserträume wissen will?
Wo bleibt die kreative Leistung, wenn man ein Buch nicht mehr schreibt, sondern wie ein Produkt designt?
Will ich das?
Will der Leser das?
Will ich solche Leser?
Als Leser möchte ich ausgefallene Bücher, spannende Bücher, unterhaltsame Bücher, ich möchte immer wieder überrascht werden (oder manchmal auch nicht). Mit anderen Worten - ich will Abwechslung. So wie viele, viele andere Leser auch.
Doch das ist gefährdet, wenn Autoren immer weniger für ihre Tätigkeit erhalten, wenn immer weitreichender in ihre Kreativleistung, in das künstlerische Werk eingegriffen wird.
Erhaltet die Artenvielfalt!
Wir gehen als wahre Cineasten nicht in die großen Cineplextempel, um auch anderen Filmen eine Chance zu geben und MAXX und Co. ein bisschen Konkurrenz zu erhalten.
Wir kaufen faire Milch zu Eiern von glücklichen Hühnern und kaufen Fair Trade Produkte. Wir unterstützen den Elektro-Einzelhandel, um nicht in naher Zukunft von MediaSaturn abhängig zu sein und setzen auf Wochenmärkte statt Aldi und Lidl.
Denkt auch an die Bücher, an die wunderbaren Geschichten, die nie geschrieben worden wären, weil sie der Verlag nicht wollte.
Shades of Grey hat keinen Verlag, aber Millionen von Lesern gefunden.
Werther wurde von Goethe selbst verlegt,
Harry Potter wurde angepriesen wie sauer Bier, bevor sich ein kleiner Verlag "erbarmte".
Indie-Bücher sind ein bisschen wie Tauben auf dem Dach. Man muss sie wollen, man riskiert ein bisschen was, beim Lesen, denn es könnte sein, anders als beim bewährten Spatz, dass der Leser am Ende nur einen Haufen Mist in der Hand hält.
Gebt den Indies eine Chance, ebenso wie den kleinen Verlagen. Die Fixierung auf Massenerfolge und größtmöglichen Umsatz am Weltmarkt unter Aufgabe von künstlerischer Qualität und vor allem Integrität führt zu einer zunehmenden Monopolisierung und einer Steuerung nicht mehr durch den Künstler, sondern durch den Vertrieb. Das kann weder das Interesse des Lesers noch des Autors sein.
"Independent" wird daher gern mit "verlagsfrei" dargestellt. Das stimmt meiner Meinung nach nicht. Ich würde Unabhängigkeit mit Wahlfreiheit gleichsetzen, mit Selbstbestimmung und in Bezug auf das eigene Werk eben mit künstlerischer Hoheit.
Das sichert auch bei Einschaltung von Verlagen die künstlerische Vielfalt, die sich als Alternative zu globalem Massenkommerz anbietet.
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