Freitag, 27. November 2015

Umgang mit dem Bodensatz der Gefühle


Meine sehr geschätzte Kollegin Mella Dumont ist verärgert. Aus objektiv gutem Grund, denn in
einem Kreise einander gut und auch persönlich bekannter Kollegen wurden Interna ausgetauscht, die dann in sehr hässlicher Weise in einem Verriss eines der Werke einer der Kollegen verwendet wurden.

In diesem für sich schon ärgerlichem Zusammenhang kam dann auch heraus, dass diese Kollegin auch gerne und mit Genuss die Werke der Konkurrenz verreißt. Über Sinn und Unsinn im Umgang mit Bewertungen äußere ich mich in einem anderen Beitrag.

Der wesentliche Aspekt des Grolls von Mella sind Neid und Missgunst und Hass, die bei meiner sonst so friedlichen Kollegin Echos werfen.

Da Autoren Künstler sind, und Künstler im Allgemeinen sehr stolz auf ihre Emotionalität, die sie als Teil ihrer Kreativität begreifen (und gelegentlich auch vorschnell entschuldigen), sind eben auch schlechte Emotionen hier besonders ausgeprägt. Ihr alle wollt Dramatik in euren Büchern und die können wir nur liefern, wenn wir auch mal auf der dunklen Seite forschen. Sorry, ist so. Also seid vorsichtig, wann ihr einen Autor ansprecht. Wobei es vielleicht nicht nur für Autoren und deren Freunde wichtig ist, sich Gedanken über den Ursprung, die Dynamik und den Umgang mit jener dunklen Seite zu machen, die man so gerne verdrängt und tabuisiert.

Zunächst ist das Ausloten der Abgründe für sich nicht schlimm. Der Mensch ist aus gutem Grund ein vielschichtiges Wesen und die Dreieinigkeit aus Kopf, Herz und Bauch kommt, richtig eingesetzt, zu zuverlässig guten Ergebnissen.

Die meisten dunklen Gefühle oder niederen Triebe sitzen im Bauch, der (Zufall oder nicht) ja auch bei Standardmodell an unterster Stelle angebracht ist. Der Bauch ist unser Wächter. Er passt auf uns auf und sorgt sich um uns. Er ist unsere Mitte, unsere Verortung im Hier und Jetzt.
Ganz egoistisch meistens. Er sorgt sich um die Primärfunktion. Bedürfnisse! Musthaves!

Das Herz ist etwas differenzierter. Da entwickeln sich  "Werte", so schwer greifbare Dinge wie Gewissen, Ethik, Richtig und Falsch. Ein Herz ist für Geben und Nehmen, hält alles am Laufen. Für Autoren ganz besonders, außer man schreibt Fachbücher. Es  will ein lebenswertes Leben und achtet auf die Wohlfühlfaktoren. Wünsche! Shouldhaves!

Der Kopf schließlich ist für dieses Geschwurbel nicht so zu haben und sieht das analytisch. Fakten, Fakten, Fakten, Möglichkeiten!


Ich habe heute erst ein Video über die Rettung eines Hais gesehen, das ein gutes Beispiel ist: Das Herz sagt "Das ist ein Lebewesen in Not. Tu was!". Der Bauch sagt: "Hast du die Zähne gesehen. Das ist ein Monster!" Und der Kopf darf vermitteln: "Wir retten das Vieh, ohne uns beißen zu lassen!"

Ich wurde, was mich sehr getroffen hat, kürzlich geschimpft, ein Kopfmensch zu sein, den man meiden müsse. Darüber habe ich ein paar Tage nachgedacht und das in verschiedenen emotionalen Extremen auch ausgefühlt. Was leicht ist, weil ich auch tatsächlich gemieden wurde und daher Zeit und keine Ablenkung hatte.

Mein Kopf meint, dass ich abwarten kann, bis genau diese Fähigkeit, Lösungen zu finden, wieder gebraucht wird.
Mein Bauch meint, dass er aus Erfahrung weiß, dass das nicht stimmt und es daher wurst ist (a apropos, ich habe Hunger!).
Mein Herz hingegen sagt, dass das alles richtig ist, aber sich trotzdem scheiße anfühlt. Weil es sich übergangen fühlt.

Es sind interessante Erfahrungen, die tatsächlich auch für Geschichten dienlich sind. Beim Lesen funktioniert es nämlich umgekehrt. Der Verstand nimmt den Text auf und übersetzt die Worte für das Herz, das nachfühlen will. Und die dabei aufgeweckten Emotionen darf dann der Bauch verdauen. Notfalls unter Zuhilfenahme abzuknabbernder Fingernägel und Tränen in den Augen.

Tatsächlich beginne ich alles, was ich tue, mit dem Herzen, das wenn man so will, der Auftraggeber meines Verstandes ist. Wenn das Herz das Ziel festlegt, hat es sich bewährt, den Verstand, den Weg suchen zu lassen. Sonst bleibt es ja beim Wunschzettelschreiben, was zwar saisonal passend, aber auf lange Sicht allenfalls zufällig zielführend ist.
Mein Bauch führt dabei die Aufsicht, denn tatsächlich neige ich dazu, bei der Zielerreichung mit mir selbst zu rücksichtslos umzugehen.

Faszinierend ist, dass man einander auf jeder Ebene begegnen kann. Dass es aber auf Dauer nur funktioniert, wenn entweder das Terrain klar ist oder es eben auf allen Etagen klappt.
Oder eben nicht ...

Was mich wieder zum Ausgangsfall zurückbringt:
Ich bin überzeugt davon, dass man die dunkle Seite aktzeptieren muss, sie kennen und verstehen.
Neid oder auch Missgunst ist ein Bauchgefühl. Es entspringt unserem Bedürfnis, die uns unserer Meinung nach zustehende Position zu erreichen oder auch zu verteidigen. Das ist wichtig - evolutionär und auch im persönlichen Fortkommen. Eifersucht funktioniert ganz ähnlich. Und immer lauert gut verschlüsselt hinter diesen Emotionen Angst. Angst, wovor auch immer. Darum predige ich in der Beratung wie auch in meinen Geschichten so geduldig, dass es tausendmal besser ist, sich der Angst, der Dunkelheit, den bösen Gedanken zu stellen, als mit ihnen zu leben. Denn sie bleiben. Die Angst mag wieder absinken und schlafen, wenn der Anreiz fort ist, aber sie bleibt bei uns, bis wir sie hinter uns gelassen haben. Darauf bauen tausend Geschichten auf. Und tatsächlich beschäftigen sich viele Plots hauptsächlich damit, wie der Held deine Angst überwindet. Das ist spannend, lehrreich und motivierend, so gewinnt man Leser.

Rache ist auch so ein Bauchgefühl, das dem Bedürfnis entspringt, Ausgleich zu schaffen, um einen in Schieflage geratenen Status quo zu korrigieren. Es geht nämlich darum, dem Ziel der Rache eine Lektion zu erteilen. Aus Angst vor Wiederholungen.  Wirklich Bauch ist dabei nur das Gefühl der Schieflage. Wenn auf meiner Seite was Böses liegt, muss es auch auf die andere Seite gelegt werden, damit die Waage wieder austariert ist. Das Herz sollte lächeln. Die Welt wird dadurch schlechter. Lass doch einfach dein Böses los. Frag den Kopf wie das geht, der findet schon eine Lösung (was er auch muss, um auf die andere Seite etwas zu laden).

Aber es sollte nicht ungefiltert ins Außen entlassen werden. Das Herz ist das Korrektiv unter sozialen Aspekten (ist es nötig?) und der Kopf unter strategisch, taktischen (lohnt es?).

Es sollte aber auch nicht in sich hineingefressen werden. Es ist nicht gut, vor lauter political correctness, Faulheit, Bequemlichkeit oder auch Angst, diese schlechten Gefühle in Kisten zu sperren und in die Keller unserer Persönlichkeit zu bringen, wo sie zuallererst einmal Magengeschwüre und schlechte Träume versprechen. Und Hass.
Hass ist das, was am Ende eines Gärvorgangs entsteht, wenn ein solches dunkles Gefühl sich verselbständigt. Hass ist Bitterkeit in Bewegung, es ist das Ende jeder Auseinandersetzung, vor allem aber das persönliche Versagen, denn er zehrt immer von seinem Wirt, von dem, der ihn hegt, frisst alles Gute und verschmutzt alles Liebenswerte.

Auch in diesem Fall einer Hassrezension, die weit, weit unter die Gürtellinie ging, offenbart sich das. Es geht nicht wirklich um das Werk, das nur ein Mittel zum Zweck war. Es nicht einmal um die Autorin.
Das wissen Herz und Kopf und so zeigt sich, dass man immer dreimal prüfen sollte, bevor man handelt.
Weil die Tat das Ziel nicht trifft.
Weil das Motiv für diese Tat allein in der Welt des Hassers liegt, der sich dadurch keine Erleichterung verschaffen kann, selbst wenn er nicht aufgeflogen wäre.
Weil es die eigene Vergangenheit ist, die vor allem einem selbst die Gegenwart versaut.
Weil so günstigstenfalls (also bei Erfolg) anderen die Welt auch schlechter, aber die eigene keinesfalls besser wird.
Weil man noch frustrierter sein wird, wenn man er sein Ziel nicht trifft und das schlechte Gefühl allein in der eigenen Welt fortbesteht.
Weil man sich selbst klein und hässlich macht, was umso trauriger ist, je besser, bewundernswerter und begabter man doch eigentlich ist.
Weil es die eigenen Dämonen sind, die man nicht dadurch besiegt, dass man sie auf andere loslässt. Dämonen werden nicht müde, das weiß ich aus Erfahrung, die ich mit Blut, Schweiß und Tränen bezahlt habe.

Wenn ich über solche Dinge nachdenke, bin ich nicht wütend. Ich bin nicht traurig. Ich bin müde. Weil das so unnötig ist.

Außer für Autoren. Die können daraus gute Geschichten machen.

Sonntag, 15. November 2015

Und nun? Was tun?


 


Gestern habe ich mal früher Schluss gemacht. Ich gebe zu, dass mich der Freitag von Paris geschafft hat. Nicht so sehr, weil es schrecklich ist, was da geschehen ist - das ist es in Aleppo, Beirut und Bagdad auch. Und es ist auch schon bei uns geschehen, in London, in Madrid ... Ich war einfach müde, immer dieselben dummen Argumente von beiden Seiten zu hören. Dieses emotional aufgeplusterte Aufeinanderprallen von Sorgen und Ängsten unterschiedlicher Positionen und auf allen Seiten die immer selben Vokabeln "Braune Soße", "Nazi", "Gutmensch", "Heuchler" und - darin waren sich alle einig - "Depp!"

Wir werden alle sterben.

Das ist sicher. Da muss man sich gar nicht fürchten, das kommt so, also entspannt euch und lebt wenigstens davor.
Vielleicht sehe ich das etwas gelassener, weil ich mich durch meine Krebserkrankung schon ein erhebliches Stück näher an die Null-Linie herangewagt habe, als das so der Normalmensch tut.

Und darum verstehe ich einfach nicht, was jetzt gerade in den sozialen Netzwerken, auf Facebook und Twitter abgeht. Hallo?! Haben die Bomben vor dem Fußballstadion ein paar Menschen (vielen) die Ohren so beschädigt, dass es jetzt an Gleichgewicht fehlt?

Das Thema hat nichts mit Paris zu tun. Nichts mit der IS und auch nichts mit Pegida. Unsere Gesellschaft ist im Umbruch und wir müssen uns bewegen. Ich habe keine Ahnung, wohin die Reise geht, aber es steht außer Frage, dass unsere Welt in 10 Jahren deutlich anders aussehen wird als heute und sich in einem Ausmaß verändert haben wird, dass deutlich über die Veränderungen der letzten 10 Jahre (die mit dem Internet und dem Mobiltelefon auch durchaus revolutionär waren) hinausgeht. Was wollen wir für die Reise in unseren mentalen Koffer packen? Und was werfen wir über Bord, wenn wir fürchten, die Kräfte reichen nicht, um alles ins Ziel zu schleppen?

Dazu müssen wir uns fragen, was es ist, das dass Leben lebenswert machen. Ich habe jetzt eine Stunde lang versucht, dieses unendlich komplexe Thema im Rahmen eines Blogartikels zu durchdringen und mit Begriffen wie Freiheit, Solidarität, Respekt, Toleranz, Glück jongliert und festgestellt, dass es einen Grund hat, warum Philosophiebücher tendenziell übergewichtig sind.

Weil mir das wichtig ist, werde ich mich damit hier auf dem Blog im Rahmen meiner Nachtgedanken mit einzelnen Begriffen auseinandersetzen. Hier, falls es jemanden interessiert und man dann auch diskutieren kann, was ich schön fände.

Ich lebe jeden Tag mit dem mir schon öfter als größenwahnsinnig vorgeworfenen Anspruch, die Welt zu einem besserem Platz zu machen. Ich gehe damit nicht direkt hausieren, ich mach das einfach.
Ich hebe Müll auf, den ich beim Gassigehen im Wald von anderen Naturliebhabern vorfinde.
Und nehme im Spätherbst Seize-Zero-Igel auf und bringe sie durch den Winter.
Ich stehe in der U-Bahn auf, wenn wer mit Krücken reinkommt und helfe, obwohl ich in Eile bin, einen Kinderwagen über Treppen zu wuchten. Ich versuche in meiner Welt schöne Dinge zu tun, die Menschen Spaß machen, und ich versuche, dabei möglichst viele Menschen teilhaben zu lassen. Wenn sie wollen. Wenn nicht, dann nicht.
Darum schreibe ich auch lieber Bücher, die optimistisch sind. Weil ich es schön finde, wenn mir Menschen sagen, dass sie nach der Lektüre besser gelaunt sind.
Und wenn auf Facebook mal wieder die Meinungen hochkochen, versuche ich im allgemeinen recht erfolgreich, das Gas rauszudrehen und der Vernunft, die sich zumeist verängstigt in den Spamordner verkrochen hat, eine Stimme zu geben.
Ich lobe gern und oft. Weil es nichts kostet und den anderen freut. Auch so eine Schrulle von mir.
Das ist nicht viel und oft bin ich deprimiert, weil es so wenig ist. Aber es ist immerhin mehr als nichts.
Warum erzähle ich das jetzt?
Weil sich so viele fragen, was sie tun können.
Um zu zeigen, wo man anfangen kann.

Und was hat das mit Paris zu tun?
Nein, ich glaube nicht, dass das den IS beeindruckt, wenn ich Kinderwägen schleppe und Igel entwurme. Aber das gilt auch für bunte Profilbilder und stille Gebete.

Tun ist ein Tätigkeitswort.


Ich habe nichts gegen die Modetrends bei den Profilbildern. Ich begrüße es, wenn es ein Aufbruchssignal ist, ein Statement, dass man zu denen gehört, die etwas tun wollen. Es ist, als würde man als Helfer für den Umzug in eine bessere Welt schon mal die Handschuhe bereit legen. Wenn man dann aber meint, das sei es gewesen, der wird sich enttäuscht in den Trümmern der alten Welt wiederfinden. Man muss dann schon auch anpacken. Nicht nur jetzt. Nicht nur zwei Wochen lang, als die ersten Flüchtlinge ankamen, sondern immer. Täglich. Nur dann geht es. Unser Planet hat so viele Probleme, da ist für jeden was dabei, bei dem er sich mit der Lösung einbringen kann.

Es bringt nichts, jetzt aufzuzählen, was man tun soll. Es bringt nichts, zu diskutieren, ob Veganer oder Fahrradfahrer für die Umwelt wertvollere Dienste leisten und ob man lieber für Kinder oder für Obdachlose spenden soll. Was man tun muss, um Flüchtlingen zu helfen.

Möglichkeiten gibt es viele, meine wie immer auch in dieser Lage saucoole Kollegin Catalina Cudd hat sich da ganz ähnliche Gedanken gemacht und gebloggt, falls wer Inspirationen sucht.

Unsere Welt ist unendlich bunt und vielfältig. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, sein Leben zu gestalten. Und wenn wir jetzt empört sind, weil der IS und genügend andere keineswegs nettere Organisationen das gefährden, dann dürfen wir nicht ins selbe Horn stoßen, um unsere individuelle Version von Glück, von Gut und Richtig, den dummen Andersdenkenden aufzuzwingen.

Entscheidungsfreiheit beinhaltet das Recht auf Unvernunft.


Auch wenn es schwer fällt. Und auch wenn Gleichgültigkeit die bequemste Form der Toleranz ist, genügt sie nicht. Manchmal muss man sich einfach auf die Finger setzen und eine noch so dämliche Meinung in der Timeline aushalten. Manchmal muss man ihr argumentativ mit sachlichen Argumenten entgegentreten. Vielleicht nicht, um den Meinungsinhaber zu bekehren, sondern um den stummen Mitlesern auch die Gegenposition vorzustellen. Aber wir dürfen nicht verbal in den Krieg ziehen und andere Meinungen niederbrüllen, mit unsachlichen Totschlagargumenten und Beleidigungen ihre Freiheit beschneiden. Autoren lernen früh: Show, don't tell.

Ein verschiedenen Urhebern unterstellter Spruch lautet: "Monsieur, ich finde ihre Meinung unerträglich, aber ich werde ich Ihr Recht, sie zu äußern, mit meinem Leben verteidigen."
Tja. So läuft das.

Zur Meinungsfreiheit gehört auch die Informationsfreiheit und daher ist es sehr bedenklich, wenn man anfängt, seine Freundesliste auszumisten und sich deren Sorgen, Ängsten und auch Hass zu verschließen. Damit beeinflusst man nur seine Wahrnehmung, nicht aber die Wahrheit. Das ist - wie mit der political correctness im Allgemeinen auch - als würde man auf eine schwärende Wunde, ein Pflaster kleben, damit man den ekligen Eiter nicht mehr sieht. Hilft auf lange Sicht nichts. Im Gegenteil. Also

Facebook macht mich heute morgen traurig.

Tut doch einfach, was ihr könnt. Was ihr schafft. Was ihr wollt. Redet nicht. Tut es einfach. Wenn jeder täte, was er ohne größere Opfer könnte, dann wären wir schon einen Quantensprung weiter. Wenn wir die Energien bündeln würden, die wir auf Facebook damit verschwenden, uns über den besten verschiedener richtiger Ansätze zu zoffen, und statt dessen etwas tun würden ... Ich mag gar nicht daran denken.
Jeder Beitrag zählt. Wenn nicht irgendwann eine kleine Schneeflocke einmal angefangen hätte, hätte es noch nie eine Lawine gegeben. Ich setze auf das langsame Erreichen einer kritischen Masse.

Wenn wir hier in den Tagen nach Paris dem IS trotzig unsere Werte als unantastbar und nicht verhandelbar verkaufen - dann lebt sie gefälligst! Geht respektvoll miteinander um und lasst andere Meinungen zu. Ignoriert sie nicht nur, sondern gesteht ihnen dieselbe Berechtigung wie der Euren zu. Tauscht Argumente aus und überzeugt. Lebt, liebt und lacht - worüber auch immer.

Aber bitte verlangt jetzt nicht neue Regeln, stellt keine Verbote auf, beschneidet nicht freiwillig das, was uns die Terrordioten nehmen wollen. Unsere Freiheit. Die verlieren wir nämlich auch, wenn wir den IS durch unsere eigenen Wächter ersetzen. Und das ist die größte Gefahr unserer Angst. Aber das hab ich gestern schon gesagt. Hier.

Ich sage jetzt nicht, es ist besser ein Zündholz anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen, dafür liegt mir hier zu viel Sprengstoff herum. Aber manchmal genügt es schon, ein Fenster aufzustoßen.






http://www.dunkle-zeiten.info/beten-schadet-nicht-hilft-aber-auch-nicht-aufruf-zum-trotz/

Samstag, 14. November 2015

Angst vor der Angst - #paris





Gestern, als die Nachrichten über die schrecklichen, schrecklichen Vorfälle in Paris in die Nachrichten kamen, saß ich gerade im Auto auf dem Rückweg vom Flughafen.

Es ist entsetzlich, was geschehen ist. Mein aufrichtiges Mitgefühl für alle Opfer. Trost und Beistand, für alle, die gerade nicht wissen wie es weitergehen soll.

Auch ich saß dann zu Hause angekommen mit brennenden Augen, sprach- und fassungslos vor Fernseher und Internet und sammelte die wirren Informationen ein, die von überall auf deutsch, englisch und französisch auf mich und meinen Mann einprasselten. Die Panik, als wir erfuhren, dass eines der betroffenen Lokale das eines Freundes ist. Die Erleichterung, als wir hörten, er sei nicht direkt betroffen gewesen, sondern nur von den Flüchtenden überrannt und dann als Notlazarett eingesetzt worden. Das grässliche Gefühl, seine Worte zu hören: 

"Der Boden schwomm in Blut." 


Ich will diese Verbrechen nicht entschuldigen, denn ich verabscheue allgemein Menschen, die zu Gewalt greifen um ihren Standpunkt zu vertreten, der offenbar argumentativ nicht stark genug ist. Erst recht, wenn sich die Gewalt nicht etwa gegen die Opponenten wendet, sondern gegen unbeteiligte Dritte, die damit als Mittel einer perfiden Erpressung missbraucht werden.

Doch so ist es hier gar nicht. Was kann ein Terrorist mit dem Schießen auf Menschen im Café oder in einem Konzert, mit einem Selbstmord auf einem belebten Platz erreichen? Es geht nicht um die Verbreitung irgendwelcher Ideologien, um das Durchsetzen einer ihrer Meinung nach "richtigen" Lebensweise. Es geht um Terror und um Allmacht. 

Terrorismus ist der billigste Weg zur Macht. 

Ich habe es schon anlässlich der Ereignisse um Charlie Hebdo Anfang des Jahres gesagt - es schaut nicht gut für unser System aus, wenn 5 entschlossene Idioten unser System lahmlegen können. Sie zwingen uns dazu, Angst zu haben. Und natürlich haben wir Angst. Das lässt sich gar nicht verhindern. Wir wollen leben. Wir wollen nicht erschossen werden. Wir wollen "Sicherheit". Jeder Mensch will das. Seit dem Neandertal. Das ist tief im Konstruktionsplan verwurzelt. Aber zu welchem Preis wollen wir sie? Ist es nicht manchmal besser, sich der Angst zu stellen, als mit ihr zu leben?

Wir müssen uns nun fragen, wie wir mit dieser Angst umgehen wollen. 


Dazu sollten wir nach innen horchen. Als ich gestern heim gefahren bin, war mein erster Gedanke - kleinlich und banal - nicht etwa, dass es grässlich ist, was passiert war. Ich war froh, dass ich noch unbehelligt nach Hause geflogen war. Denn machen wir uns nichts vor. Die auch in friedlichen Zeiten seit 09/11 nicht gerade lustigen so genannten Sicherheitskontrollen am Flughafen werden jetzt dramatisch verschärft werden.

Ich habe Angst vor der Angst. 


Angst davor, was die Angst vor diesem Terror aus uns macht. Gewalt erzeugt Gegengewalt und am meisten Angst habe ich vor der rechtschaffenen Gewalt. Vor der Gewalt, die reaktiv ihre Legitmation aus dem Irrsinn dieser Terridioten zieht und damit jedes Gespür für Maß und Mitte über Bord wirft. Dieses aufgeplusterte, so schnell dahingebrüllte "Das kann man sich nicht bieten lassen."

Die Menschen heute morgen beim Bäcker geben plötzlich der CSU recht, die sich stolz für das "schärfste Asylrecht" aller Zeiten auf die Brust trommelt, in der doch ein von christlichen Werten geprägtes Herz schlagen soll. Auch am 11.11., dem St. Martinstag, wo man der Geschichte eines Mannes gedenkt, der trotz eigenen Bedarfs seinen Mantel mit einem Bettler teilt.Die Menschen wenden sich plötzlich der AfD wieder zu und grenzen willig die ohnehin längst als lästig empfundenen Flüchtlinge als potentielle "Schläfer" aus. Herrje. Als hätte der IS es nötig, in so armseligen Unterkünften zu "schlafen".


George Takei schreibt auf Facebook: "There no doubt will be those who look upon immigrants and refugees as the enemy as a result of these attacks, because they look like those who perpetrated these attacks, just as peaceful Japanese Americans were viewed as the enemy after Pearl Harbor. But we must resist the urge to categorize and dehumanize, for it is that very impulse that fueled the insanity and violence perpetrated this evening."

Bis hierher bin ich empört, aufgewühlt, geschockt ... ich weiß es nicht. Angst bekomme ich erst, wenn ich höre, wie auf die gut geplant auf einen Freitag, den 13. gelegten Attentate reagiert wird. Es ist verständlich, dass man sich gegen Angriffe wehren will. Das man etwas tun will. Irgendwas. Weil es das Gefühl der Hilflosigkeit betäubt. Menschen sind so. Trotzdem ist es falsch.

Da wird angedroht, mit "aller Härte" gegen die Terroristen vorzugehen. Da werden unsere Werte "verteidigt". Da wird dem Terror "der Kampf angesagt". Und damit wiederholen wir den Fehler von 09/11. Bin Laden hatte in einer Videobotschaft verkündet, er werde unsere westliche Kultur und Werte zerstören. Und wir haben ihm eine lange Nase gedreht und gesagt, das machen wir schon selber. Es tut mir leid. Wir scheren ein in einen bedenklichen Teufelskreis.

Wenn wir "kämpfen", haben wir verloren. 

Wir können nur stur weiterleben. Trotzig the Show must go on. Auch das Fußballspiel wurde nicht abgebrochen.

Aber dann kippte es. Über ganz Frankreich wurde der Ausnahmezustand verhängt. Militär hat übernommen. Bürgerrechte und rechtsstaatliche Grundprinzipien sind außer Kraft gesetzt. Die Grenzen geschlossen. Wie George richtig befürchtet, beginnen die Menschen, verdächtiges Aussehen an ethnischen Merkmalen festzumachen. Wer arabisch aussieht, ist potentiell gefährlich. Flüchtlinge sind plötzlich ein potentielles Sicherheitsrisiko. Hilfsbereitschaft ist in dem Maße schwerer zu erlangen, in dem sie von uns Opfer fordert. Das war schon vor Paris zu bemerken. Wenn wir uns jetzt gegen die Flüchtlinge wenden, in deren Leben, der Abend von Paris längst Alltag geworden ist, und ihnen unsere Solidarität entziehen, haben die Terroristen, deren Treiben wir durch unsere Hilfsbereitschaft, durch die gelebte Völkergemeinschaft den Boden entziehen, gewonnen.

Wer die Reaktionen auf Paris sieht und hört, kann ermessen, wie groß die Leistung Norwegens war, sich 2011 bewusst nach den nicht minder grässlichen Vorfällen in Oslo nicht für eine Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen zu entscheiden, sondern das Leben weiter zu leben. Weil es nichts bringt.

Man mag mich dann erschießen, auf einem Konzert, in einem Café. Aber ich werde lebend erschossen werden. Mit einem Lachen auf dem Gesicht. In Freiheit. Weil ich inmitten von Menschen leben will, die leben wollen, die für Freiheit stehen und sich an ihr erfreuen.

Ich will keinen Terror von meinen eigenen Leuten, nur weil das dann "meiner" ist.  

Eine Autorenkollegin hat sich entschuldigt, weil sie gestern in Unkenntnis der Ereignisse freudig ihr neues Buch angepriesen hat. Eine Freundin regt sich auf, weil eine andere ihre Verlobung gepostet hat. Warum? Wollen wir uns das Lachen verbieten lassen? Ich möchte nicht pietätlos wirken. Ich traure aufrichtig mit den Opfern und ihren Familien und habe vor diesem Blogbeitrag eine Stunde mit Paris telefoniert, mit direkt Betroffenen. Getröstet, schief gescherzt. Zittrig aufgerichtet. Aber das Leben geht weiter. Das ist ein Fluch und ein Segen zugleich.

Es gibt keine Sicherheit. Es gibt nur Terror. Und Gegenterror. Meine Mandantin gestern, mit der ich noch in seliger Unkenntnis kommender Ereignisse am Flughafen wartend über Flüchtlinge sprach, meinte, ihre Großmutter, die nach dem Krieg als Kind geflohen war und dann in der DDR gelebt habe, hätte bitterlich geweint, als sie im Fernsehen sah, wie Stacheldrahtzäune an den Grenzen errichtet wurden. Sie weiß, was das bedeutet. Sie ist auch schon auf der anderen Seite solcher Zäune gestanden. Ist der Terror in Paris denn schlimmer als in Aleppo, nur weil er uns direkter betrifft?

 Die Nacht von Paris ist der Alltag von Aleppo.


Und wenn ich höre, dass ich künftig damit rechnen muss, dass wir in Bezug auf Terrorverdacht den Unschuldsbeweis führen müssen - und sei es durch absolute Transparenz und Überwachung - dann muss ich sagen, dass wir verloren haben. Dann hat der Terrorismus gewonnen. Nicht in der Wahl der Mittel, aber im Ergebnis.

In unserer Sorge um unsere Weltmeister saßen wir gestern vor dem Fernseher und sahen die Interviews aus den Katakomben des Stadions mit Sportlern, die alle - völlig verständlich - unter Schock standen. Es zeigt, wie schnell es gehen kann. Es zeigt, dass es keine Sicherheit gibt. Für niemanden. Nie. Höchstens in der Gemeinschaft. Jeder der Fußballfans, die aus dem Stadion geworfen waren und nun hilflos auf der Straße standen, weil sie im Chaos nicht ihr Hotel erreichen konnten und in der über der Stadt verhängten Ausgangssperre nicht wussten, wohin, war ein Flüchtling. Von Null auf Jetzt. Mit nur einer Explosion. So schnell kann das gehen.

Und jeder dieser frisch gekürten Flüchtlinge war bestimmt heilfroh, dass die Pariser so großartig reagierten und nicht lange fackelten und unter #porteouverte wildfremde Menschen - Hooligans womöglich - in ihre Privatwohnungen aufnahmen.
Das ist großartig. Darüber kann ich weinen. Weil es die Lösung zeigt.

Wer sieht, wie froh diese Menschen waren, dass sie Hilfe bekommen haben, als sie dringend Hilfe benötigten, kann doch nicht allen Ernstes weiter über Flüchtlinge wettern.

Wir müssen unsere Werte nicht "verteidigen". Wir müssen sie leben.

Singvogel postet auf Facebook:
"Wir werden dem Hass Liebe entgegen setzen. Möge jeder Akt des Hasses die Liebe nur noch stärker machen. Jeder Akt der Gewalt uns näher zusammen rücken lassen und Seite an Seite stehen lassen. Und jede Unmenschlichkeit mehr Menschen die Notwendigkeit erkennen lassen, jetzt erst recht Menschlichkeit zu zeigen und zu leben."
Yep. 

Freitag, 6. November 2015

5 Dinge, die man als Autorin für gar nix braucht


Und weiter geht die 5-Dinge-Challenge.  

Heute mache ich mir mal Gedanken (jaja... ) darüber, was man als Autor eigentlich so gar nicht braucht. Natürlich sachlich fundiert und ohne das übliche Gejammere. Da bin ich eh dagegen.

Klagt nicht, kämpft.

Letzteres hilft, wo Ersteres nur nervt und Energien bindet.

Autorenwidrigkeiten

Um dieses Thema etwas einzugrenzen und sicherzustellen, dass ich mich nicht mit Stromausfällen, Rückenschmerzen, Rohrbruch, Schnieselwetter oder untreuen Männern (Dinge, die mir spontan einfallen) um eine autorenspezifische Betrachtung drücke, soll es nur um Autorendinge gehen.
Und bääääm – wird es schwierig und das Thema beißt mich in die Nase. Autsch!
Ich taste mich also vorsichtig näher an eine Antwort heran. 

Wobei ich dann die untreuen Männer schon mal explizit zurücknehmen muss ...  

Untreue Männer


(ggf. auch Frauen, je nach Geschlecht des Autors und sexueller Orientierung - political correctness und so.)
Nehmen wir Untreue im Allgemeinen. Tja. Moralisch verwerflich, emotional rücksichtslos, grausam, pfui, triebgesteuert ... blablabla. 
Aber: worüber schreiben wir denn, wenn nicht über das Unbill des Lebens und die Hoffnung, eben jene Widrigkeiten zu überwinden und an der Herausforderung zu wachsen?

Was ist der Unterschied zwischen Kohle und Diamanten? Druck! Genau.

Selbst, wenn es nicht gut ausgeht, ist der Protagonist ja irgendwie doch der moralische Sieger - oder notfalls der Autor, der die Sinnentleertheit der menschlichen Existenz auf kongeniale Weise emotional greifbar gemacht hat, wie Marcel (Gotthabihnseelig) lispeln würde.

Untreue Männer sind zwar persönlich ärgerlich, aber bei würdigender Gesamtbetrachtung literarisch nützlich. Klingt komisch, ist aber so.

Mir fällt dabei gerade auf, dass ich bislang noch nicht über untreue Männer geschrieben habe. Höchstens über eine untreue Frau. In der Agentin 006y. Aber das war Notwehr. Und so richtig untreu war Lisa eigentlich auch nicht. Oh mein Gott - ich bin prüder als ich dachte.

Schnell der nächste Punkt. 
David Oehmer - Cincinati Spring Grove

Schnieselwetter

zwingt mich, die sonst so gerne Outdoor-Flüchtige nämlich an den Schreibtisch. Und es verbreitet so eine wunderbar melancholische Stimmung, die es erlaubt, wirklich ergreifende Emotionsszenen zu schreiben. Bittersüß, kuschelig-anheimelig, romantisch, spuk-düster ... Schniesel ist vielseitig. In meiner Schwerttanz-Saga habe ich für das Wetter den schönen Begriff Nukis Tränen kreiert, der noch viel schöner für jene ist, die wissen, dass Nuki dort der etwas verbiesterte Wintergott heißt.

Außerdem - und das sollte man nicht vergessen - ist Schnieselwetter jenes, das auch jene sonst allenfalls semidisziplinierten Leser in den Sessel treibt, mit Tee und Kaminfeuer, und sie lesen lässt. Das ist gut, denn davon lebe ich als Autor schließlich. Von den Lesern. Ich erwähnte bereits in früheren Blogs, dass Autoren eine para-parasitäre Lebensform sind.

Kurz und gut: Schniesel ist des Autors Freund. Klingt komisch, ist aber so.

Rohrbruch

hingegen ist auch für Autoren doof. Es zwingt sie mit trivialer Nachhaltigkeit aus ihrem Autoren-Raum-Zeit-Kontinuum und fordert Interaktion in dieser Welt, der Normwelt, der Welt der normalen Menschen ein.
Mit Rohren und Wasser. Mit Haupthähnen und Menschen, die wissen könnten, wo diese sich befinden. Schnell. Kompromisslos. Das ist gut. Es erdet uns. Erde ist besonders gut. Die können wir jetzt brauchen. Vielmehr Sand, der ja eine spezielle Erde ist. In Säcken. Das Wasser steigt.
Und anschließend, wenn man eingehüllt in Handtücher und Decken auf den Sandsäcken sitzt und den Pumpen bei der Arbeit zusieht, überlegt der Autor schon, wie er diese jüngsten Erlebnisse verwenden könnte und sinniert über Schiffsuntergänge, Springfluten und Dammbrüche ...
Merke: Auch (und vielleicht sogar gerade) bei High Fantasy-Autoren haben die Abenteuer ihrer Protagonisten autobiografische Züge. Gut verborgen hinter Metaphern und in geradezu kafkaesk anmutenden Chiffren, aber wer freudig und jung zwischen den Zeilen lesen will, wird sie alle ertappen. High Fantasy ist zumeist auch nichts anderes als ein Entwicklungsroman (oder neudeutscher eine Coming-of-Age-Geschichte), nur eben aufgedöhnst mit Fanfaren und großem Orchester, bunt angemalt und etwas magischem Glitter. Fantasyautoren sind meist etwas infantil. Auch wenn man sich das bei Tolkien nicht vorstellen kann... Trotzdem. Ich meine, Hobbits?! Mit haarigen Füßen?! Ja nee, is klar.

Fazit: Rohrbrüche sind notwendig, sonst hätten wir keine Erfahrungen zum Darüberschreiben.

Rückenschmerzen

hingegen sind doof. Da sind sich alle - auch Autoren - einig. Es ist dies nun auch kein Schmerz, in den man hineinkriechen müsste, um ihn beschreiben zu können.
Und bevor ihr euch wundert - doch! Das gibt es. Schmerz ist eine ganz eigene Erfahrung mit einer sehr fein abgestuften hoch individuellen Wertigkeit.
Und auch die Rahmenbedingungen und ihre Wirkung auf unser Erleben und das Bewusstsein darüber sind ... eine Erfahrung wert.
Man weiß nicht, wie es ist, wenn man sein eigenes Blut sieht, bevor man es sieht. Und aus schmerzlich erworbener Erfahrung weiß ich, dass a) es nochmal was ganz anderes ist, wenn man zusieht, wie es analog dem Herzschlag aus einer Wunder blubbt (und zwar bei dieser Entdeckung sich spontan beschleunigend!) und b) dadurch gesteigert wird, wenn man schaut, was das seltsame Weiße im Rot ist und zur Erkenntnis gelangt, dass das vermutlich ein Knochen ist. Der eigene! Wäh!
(Wie das passiert ist, habe ich bei meinen Inselüberlegungen erzählt.) 

Aber die Szenen, in denen ich über Blut und Wunden schreibe, haben sehr von diesem Erlebnis profitiert. Doch zurück zu Rückenschmerzen. Rückenschmerzen sind blöde Schmerzen, denn aus ihnen erwachsen keine guten Geschichten. Aber Erkenntnisse. Schmerzen, pflegte meine in solchen Dingen immer sehr weise Urgroßmutter zu sagen, sind der Versuch deines Körpers, dir zu sagen, dass er das, was du gerade machst, nicht möchte. Und wieder haben wir etwas, das schmerzlich die Blase durchsticht, in die sich der Autor mit seiner imaginären Wohlfühlwelt eingeschnuggelt hat. Und das ist vielleicht gut so. Man neigt dazu, seinen Körper zu vergessen. Autoren mehr als andere Menschen und daher darf ich das hier schreiben. Essen, besonders gesundes. Trinken, besonders heißes. Sozialkontakte, besonders freiwillige ... Das alles gehört irgendwie auch zum Leben. Und darüber schreiben wir doch. Übers Leben. Und fürs Leben. Aber das ist erste der zweite Schritt.

Vielleicht sollte ich auf meinen Rücken hören und mal wieder vom PC weg und womöglich sogar an die frische Luft gehen. .

Stromausfall

Es heißt, unsere sogenannte Zivilisation stünde nach nur 36 h (ganz) ohne Strom inmitten der Anarchie. Meine Welt sicherlich.
Stromausfall ist der GAU. Speziell unangekündigt mit einhergehendem Datenverlust. Machen wir uns nichts vor. Wer hat ein Notstromaggregat, das mit einer Datenverlust verhindernden Reaktionszeit anspringt?
Ha! Ich.
Nicht, weil ich paranoid bin (anderes Thema), sondern weil ich am Laptop schreibe und zwar auch, während er aufgeladen wird.
Stromausfall trifft mich also zunächst nicht. Mit Blick auf meine Akkuarbeitszeit natürlich schon, aber eben erst eine halbe Stunde später.
Strom ist der Stoff, an dem unser aller Existenz hängt.
Ohne Strom könnte ich euch nicht erreichen und mit diesem Blogbeitrag zutexten.
Ohne Strom könnte ich nicht schreiben, bzw. nur schlecht mit Block und Bleistift, wie ich im Inselbeitrag angedroht habe.
Ohne Strom wüsste ich vor allem gar nicht, was ich schreiben soll. Das Internet ist mein Quell der Inspiration und des Wissens. Kann ich mir noch vorstellen, wie man früher mühsam in die Stadt in eine große Bibliothek gepilgert ist und gegebenenfalls via Fernleihe ein Buch aufgestöbert hat? Nein. Und das ist gut so. Brrrrr.
Ich schreibe vorwiegend nachts. Da haben die Bibliotheken zu und nur ich und Tante Google sind noch wach. Und all die Millionen von Menschen, bei denen es gerade nicht Nacht ist und die ich elektronisch erreichen kann. Und meine Autorenfreunde, die alle weit weg wohnen und zu denen ich hauptsächlich per Netz Kontakt halte.
Nein, in der Autorenwelt spielt Strom eine womöglich noch größere Rolle als im restlichen Leben.
Strom ernährt uns, denn weil wir so viel Zeit in der Autorenwelt verbringen, müssen wir Vorräte einkaufen und diese dann kühlen. Und weil wir nachtaktiv sind, brauchen wir Licht. Und Wärme. Die meisten Autoren sind verfroren. Was an der Übermüdung und der schlechten Ernährung und den kalt gewordenen Getränken liegen könnte. Ein Teufelskreis.

Strom muss sein.

Also ist ein Stromausfall eines der Dinge, die ein Autor für gar nichts braucht. Das erste. Das Wichtigste. siehe oben.

Und sonst?

Von materiellen Dingen sind wir also weitestgehend unabhängig. Was nicht heißt, dass ich nicht Geld gegenüber ein Verhältnis habgieriger Abscheu pflegen würde, das ich gerne in unmittelbarer Nähe auslebe. Deshalb ist es für Autoren weit schwieriger, mit immateriellen Widrigkeiten umzugehen. Speziell mit blöden Fragen. 

Oder präziser ausgedrückt, den strafrechtlichen Konsequenzen, die es hätte, auf diese Fragen angemessen zu reagieren. 

Also hier die vier dümmsten Fragen, die ein Autor für wirklich gar nix braucht:


  • "Wie du schreibst? Hast du noch nicht genug andere Hobbys?"
    Seufz. Wo beginnen? Mal abgesehen davon, dass "Hobby" ein in meinen Ohren etwas respektloser Begriff für eine überwiegend sinnfreie Tätigkeit ist, kann man den weltenschaffenden, die gesamte Bandbreite menschlicher Emotionen (himmelhoch jauchzend/zu Tode betrübt/abgrundtiefe Verachtung/supragalaktische Einsamkeit), das Ringen um Worte, das Bangen um Rankings nur schwerlich mit Mandala malen oder Serviettentechnik vergleichen. Wenn ich mich an meinem PC setze, hat das etwas mit Pandora und ihrer Büchse zu tun, wenn ich mich in Korrektorat, Marketing und ähnlichen Begleitarbeiten übe, viel mit den Aufgaben eines Sisyphos. Und nicht mit Gartenschach.
    Schreiben ist kein Hobby, sondern ein Zwang. Die Geschichten sind da, lauern mir auf, wuchern auf ganz banalen Ereignissen und wollen raus, in die Welt, sie wollen erzählt werden. Von mir! Jetzt! Auf der Stelle. Das ist kein Hobby. Echt nicht.
    Aber ich lächle brav und meine, dass ich eben vielseitig bin. Was stimmt. Auch wortwörtlich viel seitig. Aber eben deshalb doch nicht die Wahrheit.
  • „Warum denn ausgerechnet Fantasy und nichts Gescheites?“       
    Weil ich wollte, dass du es lesen kannst
    ist regelmäßig nicht die von meinem Gegenüber erwartete Antwort. Ebenso wenig, weil ich keine Lust auf ein Fachbuch habe. Fantasy, also „Fantasie“ ist alles Fiktive. Es waren Fantasten, die aus der Höhle getreten sind, die das Feuer gezähmt und sich das erste Mal auf den Rücken eines Pferdes geschwungen haben. Es waren Fantasten, die Fliegen wollten und nach den Sternen griffen, die sich mit einem Das Leben ist tödlich nicht zufrieden geben wollten und einfach trotzig Wunden wieder zugenäht und Penicillin erfunden haben. Bei genauerer Betrachtung sind in allen Sparten unseres Lebens die Fantasten die Großen, die Genies … die aus ihrer Fantasie etwas Neues schaffen. Aber was erkläre ich das jemandem, der solche Fragen stellt?
  • „Kann man vom Schreiben leben?“
    Urgs. Schwieriges Thema. Biologisch betrachtet, geht es sicher. Aber ehrlich wäre eine Gegenfrage. Kann man auch ohne? Also nicht notwendig schreiben, aber erzählen. Oder präziser: Will man? Und wenn ja, warum?
    Es hängt in hohem Maße davon ab, was man vom Leben will und wie man leben will. Ich würde es begrüßen, wenn ich von meinem Schreiben meinen Lebensunterhalt bestreiten könnte. Und den meiner Tiere, die sich ignorant darauf verlassen, dass ich es irgendwie schaffe, die nächste Mahlzeit pünktlich (Pferd!), reichlich (Hund!) und in der gewünschten Geschmacksrichtung (Kater!) zu servieren. Daher hier ein kleiner Bettelappell an meine Leser und Nochnicht-Leser… Weihnachten naht!)
  • „Willst du mit deiner Zeit nichts Sinnvolles machen?“
    Wollen tät ich schon mögen. Nur dürfen hab ich mich nicht getraut. Das hat Karl Valentin sicherlich auch zum ersten Mal bei einer solchen Frage gedacht. Im Ernst, es würde die Menschheit nach vorn bringen, wenn man für solche Fragen einfach darwinistisch aussortiert würde. Peng. Aus. Welt verbessert.
    Geschichten unterscheiden den Menschen vom Affen, sage ich immer. Geschichten transportieren Wissen. Geschichten sind Kunst und dienen der Bildung. Lauter gute Gründe, die anerkanntermaßen höchst sinnvoll sind. Aber viel wichtiger: Geschichten machen glücklich. Nicht nur mich, was mir persönlich als Begründung schon ausreichen würde, auch wenn das ein Grund zum Fantasieren, aber nicht zum Schreiben und schon gar nicht zum Veröffentlichen wäre. Sondern eben auch andere Menschen. Ich höre so oft, dass ich mit meinen Geschichten andere Menschen glücklich gemacht habe, dass sich sie zum Lachen, zum Nachdenken, zum Schmunzeln und sich Fragen stellen brachte. Und letzteres ist mir besonders wichtig. Meine Vampire sagen, dass die meisten normalen Menschen heute Zombies sind, die vor lauter Hetzen, vor lauter Angeben, vor lauter Geld verdienen und Katzenbilder posten gar nicht bemerken, dass sie schon gestorben sind. Eine Leserin schrieb, dass sie seither jeden Morgen in U-Bahn an mich denkt und lächelt.
    Ich könnte anders mehr Geld verdienen, sicher (noch ein Hinweis!). Aber ich glaube nicht, dass ich etwas Sinnvolleres machen kann.
  • „Ich muss jetzt echt irgendwann auch mal eines deiner Bücher lesen.“
    Lass stecken. Jetzt nicht mehr. Ich möchte keine Almosen und mit der Formulierung hast du dein Angebot zu einem solchen gemacht. Du sollst nicht müssen sondern wollen. Weil dich die Geschichte interessiert. Weil dich interessiert, was ich mir mit Herzblut von der Seele geschrieben habe. Weil ich dich interessiere. Aber du musst nicht. Und irgendwann schon gar nicht. Kauf das Buch einfach, am besten mehrere. Damit ist in deiner Welt mehr erreicht als mit dieser Aussage und dann sind dein Gewissen und mein Banker zufrieden. Und kauf es bitte, bitte, bitte am Erscheinungstag! Denn da wird von den Verkäufen das in unserer Massenkonsumgesellschaft so wichtige Einstiegsranking definiert. Kauf es mit Release, auch wenn du es nicht liest. Damit hast du mir sehr geholfen und wenn du es dann nicht liest, behalte es für dich, dann geht es uns beiden gut.

Bis auf seine Seele ist der Autor hart im Nehmen. Echt. Frontal. Jegliche Widrigkeiten kann ein Autor irgendwie verarbeiten.

Aber:

Seid vorsichtig was, ihr zu Autoren sagt, denn es wird in einer Geschichte verwendet werden. Ganz bestimmt.


Mittwoch, 4. November 2015

Vor 007 kommt 006. Nullnullsexy.


 Medienhype zu 007  - muss das sein?


Dieser Tage wird man ständig und überall gefragt, wann man in den neuen James Bond geht. "Wann" und nicht etwa "ob". Dass man als aktiv am Gesellschaftsleben oder überhaupt dem Leben in welcher Form auch immer teilnehmender Mensch dem beliebtesten Agenten, der Überserie die Ehre erweist, steht außer Frage.

Ich bin dann immer erstaunt, wenn viele, viele - teils durchaus belesene und gerne einschlägig lesende - Menschen völlig erstaunt die Augen aufreißen, wenn ich in der Besprechung der Vorstreifen erwähne, dass mir das Buch besser (oder auch weniger gut - je nachdem) gefallen hat.

Was? Da gibt es Bücher zur Serie?
Nein. Da gibt es Bücher, die später verfilmt wurden. Bücher von Ian Fleming. Was übrigens auch groß in jedem Abspann steht. Oder auch im Vorspann. Lesen bildet. Wenn man liest. Zur Not in der Wikipedia.

Ich mag die Filme. Und die Bücher. Ich erfreue mich speziell bei den alten Filmen an der Situationskomik und der (Selbst)Ironie, mit der die spektakulären Stunts und Actionszenen meine inneren Logikwächter beruhigen können (Deshalb mag ich den ernsten, neuen Bond nicht, was nicht heißt, dass ich die nicht mag, die ihn mögen).

Agenten und Frauen

Was ich nicht so mag, ist das Frauenbild, speziell der neueren Bonds, denen die unbeschwerte "Unschuld" vergangener Epochen in Bezug auf dieses Thema fehlt. Weil dort die Bond-Girls (angeblich) emanzipiert sind, was meist dazu führt, dass sie sich schlecht benehmen dürfen, bevor sie dann doch "James" hauchend breitbeinig in Ohnmacht fallen und alles verraten, was der Plot gerade für James Weltenrettung benötigt. Sofern sie nicht listig gleich auf seiner Seite stehen und nur einem anderen Weltenretterverein angehören, was irgendwie ein billiger Trick ist.

Und deshalb habe ich mal versucht, selbst eine solche Geschichte zu schreiben. Agentin 006y.
Als Fingerübung zwischendurch, ohne Fantasy und mit Erotik. Ich mag das Buch aus verschiedenen Gründen und spreche darüber auch auf meiner Homepage. Aber heute geht es um den Agentenaspekt. Spionage war und bleibt ein horizontales Geschäft, wie man spätestens seit der Enttarnung von Mata Hari weiß und wovon auch die VIPs seit Kleopatra ein Lied singen können (sollten).



Lisa ist eine junge Frau mit allen Vor- und Nachteilen und kein Mannweib. Sie will auch eine Frau sein und sie will lieben und geliebt werden (was meiner Meinung nach nicht typisch weiblich, sondern typisch menschlich ist, aber irgendwie dürfen Männer das nicht offen zugeben, die Armen). Sie ist bereit, für ihre Überzeugungen und für ihre Wünsche zu kämpfen, und gerät dabei - wer kennt das nicht - schnell in eine Zwickmühle. Simpel gefragt: Wie weit gehst du für die Liebe?
Und das ist - trotz einer ebenfalls genretypisch unvermeidlichen Reisetätigkeit - nicht etwa räumlich, sondern moralisch zu verstehen.

Um was geht es in Agentin 006y?

Lisa leidet auch ein Jahr noch unter der Trennung von Robin. Als der sie bittet, für ihn ihren neuen Chef auszuspionieren, willigt sie daher in der Hoffnung auf eine Versöhnung ein. Und kämpft fortan mit ihrem schlechten Gewissen (etwas, womit James nicht belastet ist, jedenfalls nie vor der Tat). Denn ihr Chef vertraut ihr. Und auch wenn er etwas schrullig ist (Irgendwer muss immer exzentrisch sein, das gehört sich so in Agentengeschichten), ist er eben irgendwo auch nett.
Um diesen Konflikt zwischen Loyalität und Liebe, zwischen Wunsch und Anstand entfaltet sich die Geschichte, bei der Lisa natürlich dem Chef gefährlich nahe kommt. Wobei natürlich die Gefahr auch in der Ausstrahlung des Chefs besteht, aber ebenso selbstverständlich auch in den Situationen, die diese Nähe mit sich bringt. Lisas Arbeitgeber steht nämlich im Brennpunkt des Konflikts zwischen rivalisierenden Geheimdiensten und Wirtschaftsspionen und dass es dort heiß hergeht, weiß man nicht erst seit Ian Fleming.
Als Neuling im Gewerbe ist Lisa, anders als James öfter überfordert, stellt sich aber ebenso wie ihr männliches Vorbild tapfer allen actionreichen und spannenden Herausforderungen und wächst dabei über sich hinaus (anders als James, der zumindest in den Filmen vom Start weg die Referenz in allen Klassen ist und allenfalls dort aneckt, wo man zu dumm ist, das zu erkennen).

Agentin 006y ist daher ein Buch, das ich aus nicht ganz uneigennützigen Erwägungen heraus zum Warmup für das Agentenfieber wärmstens empfehlen kann, oder auch als Begleitung. Oder, weil es eben doch in vielerlei Hinsicht anders ist, auch als Substitut.



Was ich sonst zur Agentin gebloggt habe, könnt Ihr hier nachlesen:

Agentin startet durch.
Release Agentin 006y





5 Dinge, die eine Autorin auf eine einsame Insel mitnehmen würde


Und weiter geht die lustige 5er-Staffel, wobei ich das gerade gar nicht lustig finde. Eigentlich könnte ich mich gerade in den Allerwertesten beißen - entsprechende Beweglichkeit vorausgesetzt (also nein). Warum?

Der frühe Vogel fängt den Wurm.

Das heißt, die Autoren, die zu spät kommen, denen sind die coolen Sachen schon weggenommen worden. Ich gebe zu, die elegante Lösung von Mella Dumont hatte ich nicht auf dem Schirm und anders als Elke Aybar weiß ich, dass Handys sehr wohl auch ertrinken können. Meines ist zum Beispiel während eines Platzregens in meiner Brusttasche, quasi an meinem Herzen, kläglich ertrunken. Nun, es starb in Erfüllung seiner Pflicht und nach einer kleinen Gedenkminute ... weiß ich immer noch nicht, was ich jetzt schreibe.
Die Luxusvariante des Autoreninseldaseins hat Melissa David für sich beansprucht, so mit eigenem Haus und Internet ...
Und die Abenteuervariante - natürlich - Catalina Cudd, inklusive meines allerersten Gedankens, nämlich einen hübschen Freitag mitzunehmen, der nicht nur für Kurzweil, sondern durch Eingeborenenwissen auch für die Grundversorgung zuständig wäre.

Und jetzt?!

Wenn alles versagt, rette ich mich immer auf das Juristentreppchen. Selbst schuld. Da müsste ihr jetzt durch (jedenfalls die, die zu neugierig sind, um nicht einfach abzubrechen und mich wegzuklicken ...)

Noch da?
Neugier ist tückisch, ich weiß :)

Also... zunächst muss man sich Gedanken darüber machen, wo diese Insel liegt. Davon hängt nämlich erheblich ab, was ich mitnehmen möchte. Eine Insel in der Hudson Bay verlangt auch von dem noch so sehr in seinem Raum-Zeit-Kontinuum gefangenen Autoren mit einem gewissen Nachdruck eine andere Vorbereitung als ein Eiland in Mikronesien.


Von daher ist die Aufgabenstellung einfach nicht präzise und das Posten von hübschen Tropenbildchen eine der Aufgabenstellung nicht zu entnehmende Wunschvorstellung, die jedenfalls bei meinem Glück so garantiert nicht in Erfüllung geht - außer vielleicht mit einem Vulkan in der Mitte der Insel. Einem aktiven, versteht sich.

Jedenfalls kann ich mich der Fragestellung seriös zunächst nur abstrakt nähern. Was braucht der auf sich allein gestellte Autor fernab der Zivilisation? (Wobei ich hier mein Hintertürchen sehe. Einsam muss ja nicht zwingend weit entfernt sein.

Ich hätte also gern meine Insel in notfalls schwimmend überbrückbarer Entfernung zum nächsten Zivilisationsaußenposten).
Und ich möchte sicherheitshalber erwähnen, dass ich kein besonders guter Schwimmer bin! Wenn Gott gewollt hätte, dass ich schwimme, hätte ich Kiemen und Flossen.
Und? Eben!

Also, was braucht man auf so einer Insel? So ganz abstrakt gesprochen.
Schwierig.


1. Nahrung

Dass Wasser da ist, unterstelle ich mal, denn Trinkwasseraufbereitung ist ein mühsames Geschäft, da steige ich aus. So!
Aber auch beim Essen geht es schon los. Ein bisschen könnte ich von meinen Reserven zehren. Aber Spaß macht das keinen (Ich hasse Diäten. Vor allem, weil ich gerne esse.), also müsste das mit der Futter-Zufuhr geklärt werden.

Auf einer Eisscholle brauche ich andere Nahrung als auf einer Tropeninsel. Auf der Eisscholle ist das Konservierungsproblem eher untergeordnet. Dafür besteht am Äquator zumindest theoretisch die Möglichkeit, sich mit vorhandenen Ressourcen zu behelfen, also wenn man sich auskennt und nicht ganz ungeschickt ist. Wenn! Hm.

Also, was esse ich? Ich könnte fischen. Das ist ja sozusagen breitengradunabhängiges Kriterium einer Insel, dass Meer außenrum vorhanden ist. Viel Meer. Zur Not auch Süßwasser. Wobei die Aufgabenstellung zB auf der Insel Herrenchiemsee eher in die verzweifelte Suche nach Einsamkeit münden würde. Wo Wasser ist, sind Fische. Fische sind gut. Ess ich gern. Auch roh. Sushi und so.
Allerdings habe ich nur einmal tatsächlich aus einer Notlage heraus Fische geangelt (Männer sind ein anderes Thema) - im afrikanischen Busch. Und es hat ein Fisch angebissen. Schön blöd. Ich wusste nicht, was ich damit tun soll und die Einheimischen riefen, ich müsse ihn erschlagen. Ich wusste nicht womit und hab daraufhin den Fisch, der ja nicht leiden sollte, in meiner Not und in Ermangelung geeigneter Schlagwaffen auf einen Felsen geschlagen. Mit Schmackes. Danach hatte ich mehrere Fischteile herumliegen und durfte erst beim Geschirrspülen wieder mitspielen. Aber der Fisch musste nicht leiden! Ich nutze die nun fällige Gedenkminute zum Grübeln.

Notfallpackung Astronautennahrung. Das ist ein Plan!
Absolut unkaputtbar, leicht zu transportieren, absolut ungenießbar ... Das Zwergenbrot unseres Kulturkreises.
Sagen wir es so: Diäten können attraktiv werden.


2. Energie

Ich berate viel im Energiebereich und weiß daher, dass Elkes Idee mit Satelliten-Internet und Solarakkus zwar theoretisch möglich, aber die Einschätzung von Catalina die eindeutig wahrscheinlichere ist.

Solarakkus reagieren zudem sehr verschnupft auf Salzwasser. Wenn man in diese Richtung denken will, wäre also tatsächlich ein Windrad die älteste und bewährteste Form der Energieerzeugung. Das kriegt man zur Not auch selbst hin. Wobei man einen Transformator benötigen würde, der die erzeugte Energie in die gewünschte Form - z.B. Strom presst... Ich weiß zwar, wie die Dinger funktionieren - aber nicht, wenn ich sie baue. Also verwerfen wir elektrisierende Ideen und arbeiten allenfalls mit einem eher primitiven Zahnradantrieb, der dann standortabhängig entweder Kühlung fächeln oder mein wärmendes Feuerchen zuverlässig anblasen kann.
Feuer! Ja! Das muss sein. Das macht den Unterschied zwischen Mensch und Affe, das verbessert die kulinarischen Möglichkeiten ebenso wie die zu nutzende Zeit und wärmt, wenn erforderlich. Was brauchen wir dazu? Streichhölzer und Anzünder!

3. Schutz

Funktionskleidung und Schlafsack. Guter Plan. Klimatisch angepasst. Und ein entsprechendes Zelt. Sternenhimmel nur optional. Aber ich möchte mich zurückziehen können. Privatsphäre und so. Manchmal ist mir die Unendlichkeit zu viel. So geht es mir auf dem offenen Meer immer wieder mal, in der Wüste und auch, wenn ich zu lange in den Nachthimmel schaue. Tagsüber auch, aber das hat andere Gründe (Wenn ich geblendet werde, krieg ich meist Kopfweh).

Schutz ist ein schönes Wort und bringt mich zu Elkes Komodo-Waran. Ich mag diese Minidrachen ja. Und vertrete die bislang unwiderlegt gebliebene These, dass das jeweilige Setting nichts Gefährlicheres, Gemeineres, Durchgeknallteres als mich zu bieten hat. Wobei ich zugebe, dass ich das zwar schon in brasilianischen Großstädten und kanadischen Wäldern, aber nicht mit einem Eisbären oder einem Hai diskutiert habe (dem ich beim Fischen begegnen könnte). Bleibt also spannend. Ich setze auf meine Grundausrüstung im nächsten Punkt.

Und auf Desinfektionsmittel, eine Reiseapotheke und einen Verbandskasten. Sicher ist sicher, falls die Verhandlungen mit dem Eisbären scheitern.

4. Werkzeugkasten

Die komprimierteste Form des Werkzeugkastens ist, auch hier war Catalina wieder Vorreiter, das gute alte Taschenmesser. Ich hab auch so eins und auch ich habe zumindest das Gefühl, dass mir das Teil schon einige Male das Leben gerettet hat - oder jedenfalls meine Vorstellung davon. Wobei, mein innerer Anwalt sofort hämisch kichert und darauf hinweist, dass der alternative Kausalverlauf ja unbewiesen bleibt. Zu deutsch, keiner weiß, was ohne Taschenmesser passiert wäre.

Egal - ich möchte Bohrer, Hobel, Nägel, Zangen, Axt und Sägen, ein großes Messer (so wie das von Crocodile "Das ist ein Messer" - Dundee) und vor allem einen guten Schleifstein (zwei Körnungen bitte!), Draht, Schnur, Klemmen und Tape. Das hat zwar auch Catalina schon erwähnt, aber gleichwohl - ein Werkzeugkasten ohne Tape ist keiner. Eh klar.

Und als Bonus für diesen speziellen Werkzeugkasten noch Seil. Viel Seil. Das weiß ich vom RPG. Seil ist immer gut. Muss sein. Damit kann man ggf. die noch nicht gezähmten Warane auch fesseln. Oder dem Eisbären einen Fallstrick legen. Oder sich erhängen. Wenn alles andere versagt.

5. Autorenzeugs

Laptops, Handys, Internetze ... Sorry, dann ist man nicht einsam, sondern abgeschieden. Nennt mich kleinlich (im Brotjob werde ich fürs Kleinlichsein bezahlt!), aber im Netz ist es wurst, wo man ist. Da ist "einsam" irgendwie bedeutungsleer. Das lehne ich bei dieser Aufgabe ab! (Und beweise damit, dass ich nicht mehr wie Catalina völlig gaga werden kann, weil ich es schon bin).

Und weil ich so bescheiden bin, Seife. Ein Autor, der sich selbst nicht riechen kann (oder vielmehr) doch, ist nicht fähig, gute Geschichten zu schreiben. Dazu muss man mit sich im Reinen sein. Und die Überlegungen zu diesem Blogbeitrag zeigen, dass das tatsächlich wörtlich zu verstehen ist (Ich plotte zu Hause übrigens sehr gerne in der Badewanne. Hach, die werde ich vermissen und mich fragen, warum ich nicht so wie Mella einfach gleich zuhause geblieben bin. Andererseits - wären wir alle so, säßen wir immer noch in den Höhlen irgendwo in Afrika, wo die Wiege der Menschheit stand, fernab aller Inseln. Wobei das wieder vielleicht kein Nachteil wäre, also global gesehen. Der Gedanke frustriert mich gerade, den verfolge ich nicht weiter. Autoren sind gut im Verdrängen!). Wo war ich stehen geblieben? Habe ich erwähnt, dass Autoren in der Normwelt ungefähr die Aufmerksamkeitsspanne von einem Eichhörnchen auf Ecstasy haben? Zur Ruhe finden sie nur in ihrer kleinen Autorenwelt. Von daher wäre eine Insel auf den ersten Blick die größtmögliche Annäherung der Normwelt und der Autorenwelt.
Hm. Blöd nur, dass die oberen vier Punkte in mir das Gefühl wecken, dass ich nicht so viel zum Schreiben komme werde, wie ich mir das wünsche. So triviale Dinge wie leben mit all den erforderlichen Supportleistungen scheinen ein erheblicher Zeitfaktor zu sein. Wo war ich stehen geblieben?

Richtig - was will ich mitnehmen? Keinen technischen Schnickschnack, der dann doch wieder nicht funktioniert (tut er ja hier schon nicht, wo ich theoretisch über eine Hotline theoretisch zu einem Helpdesk verbunden werde, das theoretisch mit Menschen besetzt ist, die theoretisch willens und in der Lage sind, meine Probleme zu lösen. Die technischen.)


Bildergebnis für papier und bleistiftNein, ich möchte semi-archaisch einen Block, einen großen (ach was, eine Kiste mit Blöcken) und Bleistifte (mit praktischem Radierer hintendran).
Reichlich.
Und einen Spitzer.
Mit meinem großen Messer tu ich mir sonst nur weh. Ich kenne mich und trage nach einer streitigen Auseinandersetzung mit einem Teppichmesser, dass sich nicht zum Fensterrahmen aufhebeln missbrauchen lassen wollte, auch eine Erinnerungsnarbe am rechten Zeigefinger.

Oder doch einen Freitag. Vorzugsweise einen, der auch schreiben kann. Dann könnte ich diktieren.

Andere Ideen in lesenswerter Länge und mit Bildchen:
Elke Aybar
Catalina Cudd
Melissa David
Mella Dumont

Und nur damit aus dem Klischeekästchen kein Fettnäpfchen wird: Auch wenn wir von Autorinnen sprechen - keine hat etwas genannt, was ich nicht guten Gewissens auch einem Autor empfehlen könnte. Höchstens die Freitagsbesetzung.